Rezension
Gerda Sengstbratl
Afrika – Anläufe Anreisen
Bibliothek der Provinz 2022, 232 Seiten
ISBN 978-3-99126-038-7
Gerda Sengstbratls Buch Afrika ist eine Sammlung von Eindrücken und Erlebnissen, die die Autorin während ihrer Reisen zwischen 2002 und 2015 in verschiedene Teile des afrikanischen Kontinents gesammelt hat. In zwölf Kapiteln schildert sie ihre Begegnungen mit traditionellen Lebensweisen und gibt einen Einblick in die Vielfalt und Komplexität des afrikanischen Alltags.
Das Buch ist kein klassischer Reisebericht, sondern vielmehr eine subjektive Sammlung von Gedanken und Beobachtungen. Sengstbratl beschreibt die verschiedenen Regionen, die sie bereiste – von den Subsahara-Staaten im Norden bis hin zu den tropischen Gebieten im Osten Afrikas. In einem eher stichwortartigen Stil nähert sie sich den unterschiedlichen Kulturen, Landschaften und Lebensweisen, die sie dort erlebte. Ihre Perspektive als Europäerin prägt dabei die Erzählweise, was sowohl eine Stärke als auch eine Schwäche des Buches ist.
Die Stärke der Autorin liegt in ihrer Fähigkeit, mit wenigen Worten die Essenz von Situationen und Begegnungen zu erfassen. Ihre Beschreibungen sind oft prägnant und eindrucksvoll, ohne sich in langen Ausschweifungen zu verlieren. Sie vermittelt ein Gefühl der Fremdheit, das sie als Reisende in einer ihr teils fremden Welt empfindet, und lässt dabei Raum für Reflexion und Interpretation. Die Erlebnisse werden nicht immer bewertet, sondern häufig nur berichtet, was dem Leser die Freiheit gibt, sich selbst ein Bild zu machen.
Ein weiterer interessanter Aspekt des Buches ist die Art und Weise, wie Sengstbratl über die Kluft zwischen westlicher und traditioneller Lebensweise nachdenkt. Sie beschreibt Begegnungen mit Menschen, die in einer Welt leben, die sich von der europäischen Vorstellung von Entwicklung und Fortschritt grundlegend unterscheidet. Dabei taucht sie auch in die Konflikte und Herausforderungen ein, die solche Begegnungen mit sich bringen können – sei es der Unterschied in den sozialen Normen, in den Wertvorstellungen oder auch in den politischen Realitäten. Besonders hervorzuheben ist die ehrliche und ungeschönte Auseinandersetzung mit der westlichen Perspektive auf Afrika, die oft von Misstrauen, Entfremdung oder auch Missverständnissen geprägt ist.
Jedoch kann der stichwortartige Stil des Buches auch als Nachteil empfunden werden. Die kurzen, manchmal fragmentarischen Abschnitte lassen wenig Raum für tiefergehende Auseinandersetzungen oder emotionalere Erlebnisse. Das Buch bleibt in gewisser Weise distanziert, was manchen Lesern die Möglichkeit nimmt, wirklich in die Erfahrungen der Autorin einzutauchen. Der Mangel an narrativer Tiefe und persönlicher Reflektion könnte für einige zu einer Barriere werden, um sich mit dem Werk voll und ganz zu identifizieren.
Insgesamt ist Afrika ein interessantes Buch für Leser, die an persönlichen Eindrücken aus einer europäischen Perspektive interessiert sind und abseits der ausgetretenen Touristenpfade mehr über den afrikanischen Kontinent erfahren möchten. Es bietet einen wertvollen Einblick in die Vielfalt der afrikanischen Kulturen und die unterschiedlichen Lebensweisen, die dort existieren. Auch wenn das Buch nicht in einer tiefgründigen, erzählerischen Weise verfasst ist, so gelingt es der Autorin doch, dem Leser eine differenzierte Sicht auf Afrika zu vermitteln. Die Stärken liegen in den scharfsinnigen Beobachtungen und der schlichten, aber eindrucksvollen Schilderung von Reisen, die uns ein Stück weiter verstehen lassen, was es bedeutet, als Europäerin den afrikanischen Kontinent zu bereisen und unvermittelt mit fremden Kulturen konfrontiert zu sein.
Gerhard Blaboll (2025)