Rezension
Kurt F. Svatek
Auch Noten schreiben Geschichten. Anekdoten, Geschichten und Überlegungen aus der Welt der Musik
Edizioni Universum 2024, 170 Seiten
ISBN 9791282016025
„Eine Anekdote ist eine kurze, oft witzige Geschichte, die eine Persönlichkeit oder eine Epoche charakterisiert. Sie kann wahr oder auch erfunden sein und endet oft mit einer überraschenden Pointe. Sie ist eine kurze Form der Epik, enthält nicht unbedingt eine Moral, wie es für die Fabel und die Parabel typisch ist. Die meisten Merkmale teilt die Anekdote mit dem Witz und der Satire.“ So die Definition.
Im vorliegenden Buch wendet sich Kurt Svatek Anekdoten aus dem Bereich der Musik zu. Daneben finden sich aber auch musikgeschichtliche und biographische Abhandlungen. So gibt es längere Texte über den Orchesterklang der Wiener Philharmoniker, über die Ursprünge des Neujahrskonzerts und über das Schicksal der im Zweiten Weltkrieg nach Amerika emigrierten Komponisten und Interpreten. Der Schwerpunkt des Bandes liegt im Zeitraum vom 19. Jh. bis in die Gegenwart. Daraus entsteht ein Geflecht von Begebenheiten und Überlegungen, das sowohl ein Bild vom Wesen der Musik als auch vom Musikbetrieb ergibt.
Die Welt der Musik, wie sie das Publikum wahrnimmt, ist eine ganz andere als die des Musikbetriebs, mit seinen Eifersüchteleien, Animositäten und Eigeninteressen. Dem Publikum gegenüber ist man stets bemüht, Sicherheit, Harmonie und gegenseitiges Wohlwollen zu vermitteln. Hinter der Bühne kann es jedoch ganz anders aussehen. Bezeichnend ist hier eine Sammlung gegenseitiger Beurteilungen großer Komponisten, die staunen macht. So sagte etwa Tschaikowski über Johannes Brahms: „Was für eine gehaltlose Mischung ist doch die Musik von Brahms. Es empört mich immer, wenn diese aufgeblähte Mittelmäßigkeit für genial gehalten wird.“ Rimskij-Korsakow hingegen hielt nicht viel von Tschaikowski: „Seine Musik zeugt von schlechtem Geschmack.“ Sie alle waren große Meister, und dennoch wird dem anderen Unverständnis und Herabwürdigung zuteil. Dass diese Beurteilungen auch amüsant sind, steht auf einem anderen Blatt – nett gemeint sind sie nicht.
Es gibt aber auch Beispiele größter Wertschätzung, etwa das Begräbnis des zu früh verstorbenen Luciano Pavarotti – eine Ehrung, die einem Staatsbegräbnis gleichkam. „Ein Begräbnis wie für einen König“, meinten italienische Kommentatoren. Auch das wird großen Musikern zuteil.
Recht nüchtern und abgeklärt beurteilte hingegen einer seine Situation, der zu den bedeutendsten Komponisten seiner Zeit gehörte. Ein Journalist fragte den damals 83-jährigen Richard Strauss, „und was sind Ihre Pläne für die Zukunft“, worauf Strauss antwortete: „Na sterben halt.“ Sic transit gloria mundi, auch bei großen Musikern, und Richard Strauss machte sich da nichts vor.
Optisch aufgewertet ist das Buch durch Notenbeispiele und Gemälde von Maria Kalatzi. So gibt es in Wort und Bild einen interessanten Einblick in die widersprüchliche und vielfältige Sphäre der Musik – mit der erhebendste und befreiendste Zeitvertreib, den die Menschheit kennt. Wir verdanken ihn allen, die musikalisch tätig sind. „Auch Noten schreiben Geschichten“ leistet einen wichtigen Beitrag dazu.
Bernhard Heinrich (2025)