Rezension
Alois Schörghuber
Betreten nur für Unbefugte. Randnotizen
Literaturedition Niederösterreich 2023, 176 Seiten
ISBN 978-3-902717-70-2
Spitze Feder
Die »Randnotizen« von Alois Schörghuber drehen sich um vermeintlich Alltägliches. Es sind Beobachtungen zahlreicher Begebenheiten, die den Menschen widerfahren könnten oder sich tatsächlich so zugetragen haben, und der Autor versteht es, sie zu satirischen Miniaturen zu verdichten, die in ihrer Intensität ebenso wie in ihrem Humor wohl ihresgleichen suchen.
Alois Schörghuber wurde 1956 in Amstetten in Niederösterreich geboren. Beinah ein Vierteljahrhundert war er als Redakteur für Ö1 tätig. Er verfasste Beiträge und Features, moderierte Live-Gesprächssendungen, und nebenbei entstanden zahlreiche Glossen. 2018 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-JournalistInnen-Preis ausgezeichnet, 2020 mit dem Silver-Living-Award. Betreten nur für Unbefugte ist sein Debüt als Buchautor.
Was »Randnotizen« genau sind, erklärt der Autor in einem der Texte mit dem Titel E-Mail-Teller: »Randnotizen, so werden diese Bemerkungen ja tituliert, sind naturgemäß Notizen zu komplexen Themen, leichtfüßig vorgebrachte Ansichten oder Beobachtungen zu behaupteten oder vorgelegten Erkenntnissen, die hingekritzelt oder querulantiv – nehmen wir an, dass es dieses Wort geben darf – angemerkt werden.« (S. 42). Im Übrigen stammt der E-Mail-Teller von der Frage eines Kindes, und gegen Ende des Artikels entpuppt er sich ganz profan, aber heute nicht mehr geläufig, als »Email-Teller«.
Schörghuber hat das, was man eine »spitze Feder« nennt. Der Buchtitel Betreten nur für Unbefugte nimmt Bezug auf eine der Notizen, in welcher gefragt wird, wer eigentlich gemeint sei, wenn auf manchen Amtstüren der Hinweis »Betreten nur für Befugte« prangt. Genüsslich wird diese Aufforderung zerkaut, und am Ende leuchtet der Gedanke auf, es möge doch umgedreht und künftig nur mehr »Unbefugten« der Zutritt gewährt werden.
Aufs Korn genommen wird der Amtsschimmel ebenso wie das »Österreichertum« und gewisse typische Verhaltensweisen. Dabei spielt der Autor sehr gerne mit der Sprache, zerlegt Wörter bis auf ihre Grundbedeutung, klappert das Wortfeld ab und schafft überraschende semantische Kombinationen – so kommen wir zu witzigen, aber geistreichen Sentenzen wie jener: »Wenn alle auf der Überholspur sind, kommt keiner schneller weiter.« (S. 27).
Unter dem Titel Mikrofon (S. 95) werden diverse Erfahrungen mit ebendiesem wiedergegeben, die Alois Schörghuber als langjähriger Journalist natürlich zur Genüge hat. Da ist von Schüchternen und Schwadronierenden die Rede, vom Anfängerfehler des Moderators, das Mikrofon aus der Hand zu geben, ebenso wie von einem Schuldirektor, der es dem Journalisten gewaltsam zu entreißen versuchte, weil er verhindern wollte, dass sein Nicht-Wissen im Radio bloßgestellt würde. Leser*innen erfahren aber auch, dass Interviews von diversen sprachlichen Hoppalas und Nachdenkpausen bereinigt werden, bevor sie in den Äther gelangen.
Alois Schörghuber gibt einiges aus dem eigenen Leben preis. Da geht es nicht nur um die Beobachtung haarsträubender Begebenheiten, sondern auch um Berufliches und Familiäres. Wir begleiten den Autor mit seinem an Demenz leidenden Vater in den Supermarkt, aber auch durch die eigene Wohnung, die er in Zeiten von Lockdown und abgesagter Geschäftsflüge genauer unter die Lupe nahm. »Selbstverständlich schaue ich auch nach, was sich in meinem Schubladkasten angesammelt hat, bereits gerahmte Bilder zum Beispiel, von denen ich mir vorgenommen habe, sie irgendwann einmal aufzuhängen. Corona sagt mir, irgendwann ist jetzt.« (S. 116).
Dass Aufzüge zu Austragungsorten kabarettreifer Pseudokonflikte mutieren können, hätte ich nicht gedacht. Genau davon handelt aber die Randnotiz Lufthierarchie: »Lifte sind Biotope ›menschlicher Abgründigkeit‹, besonders interessante Studienobjekte sind Aufzüge in U-Bahnstationen.« (S. 91). Es geht um die Frage, wer zuerst in den Lift steigen darf, und anhand eines Erlebnisses an einem heißen Sommertag im Aufzug einer U3-Station erfahren Leser*innen, was sich da zwischen einem Gemächlich-Gelassenen mit Hang zu pseudophilosophischen Lebensweisheiten und einer dickleibigen Oma mit Enkelkind, die angesichts einer freundlichen, höflichen Dame mit Migrationshintergrund ihre Contenance verliert, und vor den Augen des sich in Eile befindlichen Autors (»Ich hatte es eilig und war in diesem Fall auf Formel-1-Modus programmiert«) abspielen kann. Nach einem verbalen Schlagabtausch, bei dessen Lektüre mir der Mund offenblieb, resümiert der Autor: »Ich schwieg zu diesem Peinlichkeitsszenario. Stelle mir aber nachträglich fundamentale Fragen. Hätte ich eingreifen sollen? Und wenn ja, wie?« (S. 93).
Ein wunderbares Beispiel für mehrfache Wortspielereien fand ich in der folgenden Passage: »›Mein Buch ist weg‹, ertrank mein Freund in Selbstmitleid. Ich schenkte ihm Wein ein, um ihm beim Ertrinken zu helfen, ich gestehe, ein zweifelhafter Freundschaftsdienst.« (S. 17). Wie diese laden viele Stellen zum Lachen oder Schmunzeln ein. Schörghuber ist in gewisser Weise ein Wortakrobat, dem es gelingt, mit seiner Sprache auf den ersten Blick alltägliche Begebenheiten oder Formulierungen pointiert zu überhöhen und mit seiner spitzen Feder auf kleine Ungeheuerlichkeiten zu zielen, die uns üblicherweise gar nicht mehr als solche auffallen.
Alois Schörghubers Randnotizen sind in der Literaturedition Niederösterreich erschienen. Das Buch, eine Broschur mit Fadenbindung, ist überaus sorgfältig und ästhetisch gestaltet, sodass die Lektüre gleichzeitig auch ein Freudenfest fürs Auge ist. Genau so sollen Bücher sein!
Klaus Ebner (2025)