Rezension
Petra Sela
Blätter wehen ins Haus. Herbst-Haiku
Österreichische Haiku Gesellschaft 2023, 170 Seiten
ISBN 978-3-9505364-4-7
Der Herbst ist ein ideales Thema für Haiku: farbenfroh, abwechslungsreich, und eine stille Jahreszeit. Die meist rotbraunen Bilder aus der Wachau und der Lobau von Ulrich Gansert untermalen diese Jahreszeit gekonnt, nur wenige weisen auf den kommenden Winter hin. So ist auch der Verlauf der Gedichte zu sehen. Die Haiku beginnen mit dem Herbst der Ernte: „im Korb die Früchte“ ist das erste Kapitel benannt, und auch im zweiten, in der „Herbstsonne“ kann man noch draußen sitzen oder bei angenehmen Temperaturen wandern. Der Herbst ist eine ideale Zeit für Ausflüge. Danach sind Anzeichen von Herbst „im Wiener Prater“ festzustellen, die lauteste Zeit ist vorbei: das Ringelspiel wird / abgebaut – es geht in die / Winterruhe (S. 83) und: im Gastgarten riecht / es nicht mehr nach Stelzen / Rohscheiben und Bier (S. 89).
Auch im eigenen Garten spürt man den Herbst und sein Fortschreiten: neben kahlen Zweigen / am Zaun die roten Blätter / des wilden Weins (S. 109). Man zieht sich allmählich ins Haus zurück und trifft im Kapitel „daheim“ auf das Titelhaiku des Bandes: Blätter wehen ins / Haus – das erste Mal dreh / ich die Heizung auf (S. 137). Danach folgt das bizarre Treiben von „Halloween“: beim Einkauf auf Süßes / nicht vergessen – ein Huschen / von Tür zu Tür (S. 161). Und schließlich läuft alles auf Weihnachten hinaus, das zwar genau genommen schon im Winter, aber nur wenige Tage nach dem Ende des Herbstes liegt. Viele Weihnachtsvorbereitungen beginnen noch im Herbst: die letzten Herbsttage / Mutter kauft erste / Weihnachtsgeschenke (S. 177).
Nun ist der Herbst endgültig in den Winter übergegangen. Vorüber ist seine Zeit, die mit sonnigen Ernten im Sonnenschein begann und schließlich mit kalten Tagen endet, an denen oft schon der Schnee fällt. Wir haben den Herbst auf seinem Weg mit kurzen, stimmungsvollen Beobachtungen begleitet, die die Form des Haiku passend einfängt.
In diesem Gedichtband herrschen Heiterkeit und Ironie vor, die bittere und melancholische Seite des Herbstes kommt nur wenig zum Tragen, was wohl durchaus in der Absicht der Autorin lag. Die Gedichte wurden ins Englische und Japanische übersetzt, wobei der japanischen Übersetzung jeweils eine ganze Seite gewidmet wird. Auch wer sie nicht lesen kann, wird von ihrer optischen Wirkung berührt sein.
Bernhard Heinrich (2025)