Rezension
Erika Kronabitter
Delfine vor Venedig
Edition Melis 2024, 58 Seiten
ISBN 978-3-9505449-2-0
Die Grundlage dieses Gedichtbandes ist Venedig während der Coronazeit, offenbar ein längerer Aufenthalt von Erika Kronabitter, die eben auch, wie im Titel erwähnt, Delfine vor der Stadt gesichtet hat. Das gleichnamige Gedicht endet mit folgenden Zeilen:
„delfine vor venedig
das meer sonnenleicht geöffnet |
so sommerlicht“ (S. 33)
Das sind poetische Bilder, die in Verse geschmiedet sind. Manchmal leichtfüßig, dann wieder mystisch und stark.
„die lagune sehnt sich
nach sich selbst“ (S. 46)
Tiere sind ein wiederkehrendes Motiv, seien es Wölfe und Tintenfische oder Möwen und Löwen, die steinern über jeden Schritt wachen und das lyrische Ich auf eine unheimliche Art begleiten können.
Dieses auf lyrischen Pfaden entdeckte, begangene und unbekannte Venedig (ohne Touristen) strahlt eine Art unbenutzte Magie aus, die eine auch manchmal modrige Frische entdecken lässt. Das kommt der künstlerisch vielseitigen Autorin Erika Kronabitter entgegen, vor allem das ausdrucksstarke Bildhafte breitet sich in dunklen Farben vor dem inneren Auge aus.
„betört versinkt das schiff im nebelnirwana
wirft den schleier über ziele und pläne |
wir ziehen eine unsichtbare linie unter
(…)
wir ahnungslosen“ (S. 55)
Dabei kann eine unbehagliche Gänsehaut entstehen über Bilder, und ein Spüren der geschichtsträchtigen Serenissima, das mehr an Daphne du Maurier erinnert denn an Donna Leon.
Erika Kronabitter erschließt mit diesem bibliophilen Gedichtband Venedig neu – lässt aber auch immer genügend Spielraum, um eine unbekannte Calle oder Ponte zu entdecken.
Rudolf Kraus (2025)