Rezension
Claudia Taller
… der Tod geht mit
Krimi.
Schriftenstand-Verlag GmbH 2023, 100 Seiten
ISBN 978-3-903250-94-9
Was ist anlässlich dieser Martinsfeier zur nachmittägigen Stunde am Domplatz von Linz tatsächlich passiert? Mitten unter der laternentragenden Kinderschar wird auf eine Kindergärtnerin geschossen, worauf diese auf das Kind stürzt, welches sie an der Hand gehalten hat. Sie wird lebensgefährlich verletzt und muss ins Krankenhaus gebracht werden. Der Täter wird von einer Kollegin des Schussopfers auf der Flucht zwar kurz beobachtet, kann aber durch den Dom unerkannt entkommen. Schon bald herrscht Verwirrung, denn niemand kann mit Sicherheit sagen, was zuerst war: Der Sturz der Kindergärtnerin oder der Schuss. Im ersteren Fall könnte das Kind, auf welche die Unglückliche stürzte oder sich schützend geworfen hatte, das Ziel des Schützen gewesen sein, im anderen Fall – weshalb auch immer – die Kindergärtnerin selbst.
Die nun folgenden Ermittlungen des Tathergangs und eines möglichen Motives hierfür werden durch sechs Personen abwechselnd erläutert, welche zueinander in teils engen, teils zeitlich zurückliegenden Beziehungen stehen: Die Eltern des Knaben, auf den die Kindergärtner gestürzt ist, der Knabe selbst, die leitende Kommissarin, eine Mitarbeiterin der Tatortreinigungsgruppe und jene Kindergärtnerin, welche den mutmaßlichen Täter beobachtet hatte. Schritt für Schritt scheint man der Klärung des Falles näher zu kommen, wozu nicht nur die feinfühligen Gespräche der Kommissarin beitragen, sondern auch scharfsinnige Überlegungen der kriminalaffinen Tatortreinigungskraft sowie Aussagen von Kindern, die sich in unmittelbarer Nähe befunden haben. Schon bald ist zu erkennen, dass die Kommissarin mehrere beteiligte Personen aus früheren Kriminalfällen kennt, was die Verdachtssituation spannend oszillieren lässt. Dies auch dann, wenn in den abwechselnden Erzählperspektiven die Gedankengänge der sechs Personen erlebbar werden, so dass die Leserschaft an einigen Stellen des Buches schon mehr weiß als die ermittelnde Kommissarin.
Der spannende Fortgang der Ermittlungen, sowohl in Sackgassen mündend als auch wichtige Fortschritte erbringend, werden von der Autorin in unaufgeregter Art und Weise geschildert, wobei die Spannung unterschwellig glost und in jedem Kapitel etwas Sensationelles durchaus möglich erscheint, aber letztlich doch nicht eintritt. Daher fällt es schwer, das Buch aus der Hand zu legen – es will in Einem zu Ende gelesen werden. Dass der Martinsfeier-Fall schlussendlich doch nicht zum „cold case“, einem nicht geklärten Kriminalfall, wird, dafür sorgt ein überraschendes Ende, bei dem nur die Kommissarin weiß, wer geschossen hat. Die Leserschaft hingegen weiß nicht wer, jedoch, warum geschossen wurde. Ein ungewöhnlicher, aber fesselnder Krimi.
Michael Stradal (2024)