Rezension

Regine Koth Afzelius

Die Leibwächterin

Edition Roesner, Februar 2022, 182 Seiten

Die äußere Handlung von Regine Koth Afzelius' Roman Die Leibwächterin ist schnell nacherzählt: Die Ich-Erzählerin ist, nachdem sie spät die Lehre zur Orgelbauerin abgeschossen hat, in ihr Heimatdorf zurückgekehrt. Sie arbeitet in der Werkstatt eines Orgelbauers und ist gerade dabei, sich in ihrem neuen Leben einzurichten, als ihr Vater, ein Professor für Orgelspiel, zu dem sie immer ein angespanntes Verhältnis hatte, schwer erkrankt und in ein Pflegeheim muss. Die Protagonistin begleitet ihn in diesen letzten Lebensmonaten, beobachtet seinen körperlichen und geistigen Verfall, sein Aufbegehren gegen den Tod, schwankt selbst dabei, mehr und bessere Behandlung für ihn zu organisieren oder dem Unausweichlichen seinen Lauf zu lassen. Gleichzeitig will sie aber selbst leben, hat eigene Bedürfnisse. Sie hat allerdings nicht die Kraft für herkömmliche Beziehungen, obwohl sie durchaus am Besitzer der Orgelwerkstatt und auch an einem Weinbauern aus der Nachbarschaft Gefallen findet. Die Auseinandersetzung mit dem Sterben des Vaters bewirkt, dass sie sich immer mehr zurückzieht, sogar die Treffen mit ehemaligen Klassenkameradinnen ihr unerträglich werden. Ihre körperlichen Bedürfnisse befriedigt sie mit mechanischen Hilfsmitteln aus dem Versandhandel. Als sich das persönliche Kennenlernen einer Facebook-Bekanntschaft als Enttäuschung erweist, bestärkt sie das in ihrem Einsiedlerinnendasein. Schlussendlich stirbt der Vater. Kurz darauf feiert die Erzählerin Geburtstag. Ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Wie, soll hier nicht verraten werden.

Regine Koth Afzelius schafft es, dieser Geschichte ganz eigene Aspekte aus der weiblichen Sicht abzugewinnen. Sie rückt den Körper auf zweifache Weise in den Vordergrund: verfallend und sexuelle Lust einfordernd. Die eigenwillige Rechtschreibung verhindert ein schnelles Durchblättern, verlangt Konzentration. Jede der Figuren hat eine eigene Sprache, die die jeweilige Persönlichkeit hervorhebt.

Insgesamt ist Die Leibwächterin eine interessante Auseinandersetzung mit den letztgültigen Dingen des Lebens.

 

Sascha Wittmann

 

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