Rezension
Rudolf Kraus
die letzte frage der menschheit. siebzehnsilber.
Lyrik
Verlagshaus Hernals
ISBN 978-3-902975-73-7
Ist „schein oder nichtschein“ tatsächlich die letzte Frage der Menschheit?
Endzeit-Gedanken formieren sich vielleicht eher bei „geist grüner träume / wer gibt nun den löffel ab / wenn der teufel tanzt“. Wenn schon nicht das Ende der Menschheit betreffend aber ein trauriges Kapitel für das Kulturland Österreich fasst der Autor mit folgenden 17 Silben zusammen: „ich höre ö eins / ö eins gehört ins funkhaus / ihr habt es gehört“. Dem Autor gelingt es aber auch schöne Bilder zu transportieren. Eines dieser Beispiele ist das Eintauchen in den Herbst auf Seite 39. Unmittelbar davor bezeichnet er jedoch einen Dreizeiler als Haiku – der schlicht und einfach kein Haiku ist.
Eigentlich sollte der Lyrikband mit Siebzehnsilbern angefüllt sein. Doch sind Sechzehn- oder Achtzehnsilber ebenfalls keine Seltenheit. So wäre es kein Problem gewesen, etwa bei der Legenden-Aufzählung von Rapid Wien „herzog“ gegen „stumpf“ auszutauschen – und der Siebzehnsilber hätte wirklich 17 Silben.
Auf den ersten Abschnitt „frische siebzehnsilber“ folgen als Dialekt-Kostproben einige Seiten „neiche dreizäula“. Dagegen gibt es nichts einzuwenden. Die Texte sind durchwegs gut lesbar. Hier ein Beispiel: „so a schtumma fisch / dea oiwäu im wossa schwimmt / mocht´s mäu auf und zua“.
Den dritten Teil bilden die „#freitagsdreizeiler“. Auch hier wieder sehr konträre Texte. In jeder Hinsicht sprunghaft, bunt zusammengewürfelt. Auf der einen Seite das Wachrütteln von Erinnerungen an Karl Krolow oder den Fall der Berliner Mauer, auf der anderen Seite Befindlichkeitstexte und Anlehnungen an Auszählreime für Kinder.
Aber schließlich mündet alles in der Erkenntnis des letzten Textbeitrages von Rudolf Kraus: „jeder dreizeiler / verbirgt eine ganze welt / du musst nur lesen“.
Rezensent: Josef Graßmugg (Europa-Literaturkreis Kapfenberg)