Rezension
Vera Ferra-Mikura
Die Sackgasse
Roman
Milena Verlag 2022, 300 Seiten
ISBN 978-3-903184-98-5
„Trippeltropf, wo ist die Sonne? / Trippeltropf, wer kann sie sehn? / Lustig singt die Regentonne / Oh wie ist mein Leben schön! …“ – Wie oft ich das Regenliedchen meinem Sohn, den Nichten, Neffen, und jetzt schon wieder meinen Enkelkindern vorgelesen habe, sodass ich es schon auswendig rezitieren kann, weiß ich nicht. Jedenfalls hatte und habe ich Vera Ferra-Mikura in meinem Kopf als Kinderbuchautorin abgespeichert. „Frosch im Gras, volles Faß, plansch, die ganze Welt wird naß …“ Aus meiner Froschperspektive schubladisierend hatte ich noch die Drei Stanisläuse im Gedächtnis und fine.
Dem Milena Verlag sei gedankt, dass er den Roman Die Sackgasse wieder aufgelegt hat. Es eröffnet sich der interessierten Leserschaft eine neue Perspektive auf die Autorin. Der Roman erschien 1947 und ist das Romandebüt der damals erst vierundzwanzigjährigen Autorin.
Die zeitliche Zuordnung erschließt sich nicht aus dem Werk selbst, da NS-Zeit, Krieg und Wiederaufbau nicht explizit thematisiert sind. Trotzdem ist der Roman eine genaue Zustandsschilderung der österreichischen Nachkriegsgesellschaft und wohl auch ein Stück weit autobiografisch, denn die Fragen, die der „Held“ (bitte Gänsefüßchen beachten!) und noch um seine „Berufung“ als Schriftsteller ringende Rupert Kleist stellt, sind wohl ident mit der Jungautorin Ferra-Mikura.
Die Autorin schildert die Geschichte der Witwe Kleist, die mit ihren drei Kindern, Rupert, Luise und Fanny unter prekären Verhältnissen in einem heruntergekommenen Zinshaus am Ende einer Sackgasse wohnt. Der Titel ist also Programm. Während Frau Kleist keine Perspektive mehr zu haben scheint, streben ihre drei erwachsenen Kinder nach Aufstieg, gesicherten finanziellen Möglichkeiten und Erfolg, nach einem Ausweg in eine gedeihliche Zukunft also. Ob und wie der Ausweg gelingt, sei nicht verraten, denn die Lektüre des Buches wird ja empfohlen und soll spannend bleiben.
Angemerkt muss werden, wie genau die Autorin die gesellschaftliche Situation schildert. Die Bewohner des Hauses in der Sackgasse haben die alten Verhaltensmuster des Spitzelstaates so verinnerlicht, dass Nachspionieren, Verleumden, ungerechtfertigte Anschuldigungen, der ideologische Unterbau der vergangenen Jahre, noch immer zur Tagesordnung gehören.
Das Nachwort von Peter Zimmermann ist wesentlich und wichtig, weil weiterbildend, um gerade jetzt dieses Zeitdokument (das der Roman inzwischen geworden ist) insofern verstehen zu können, warum es als realistischer Roman angelegt im Fiktiven spielt, und Vera Ferra-Mikura in der österreichischen Literaturlandschaft umfassender einordnen zu können. Das Kinderbuch Lustig singt die Regentonne kommt aktuell in Weiterbildungsprogrammen zum/r Vorlesepaten/in in Kindergärten und Kinderbetreuungseinrichtungen als Lektüre vor, über die Autorin und ihr Œuvre mehr zu wissen, ist mehr als ein persönlicher Mehrwert, gerade im Hinblick auf die Heranwachsenden, die einem anvertraut sind.
Dass sich der Roman spannend liest, sei abschließend gesagt, dass er nicht ganz trist endet, Hoffnung intendiert, angemerkt, und mit einem Zitat der Autorin sei geschlossen: „Ein unklarer oder negativer Schluss hinterlässt Mutlosigkeit. Nicht einmal ein erwachsener Mensch, der stärker als das Kind ist, kommt ohne Illusionen aus.“
Doris Kloimstein (2023)