Rezension
Ingrid Schramm & Andrea Glatzer
Die Schicksalsspur der Habsburger in Pannonien
Legenden, Überlieferungen, Enthüllungen.
Verlag Buchschmiede 2023, 158 Seiten
ISBN 978-3-99152-796-1
Dieses Buch bietet allen an österreichischer Geschichte Interessierten einen Blick auf die „Schicksalsspur der Habsburger“, hier speziell in Pannonien. Da wird nicht trockene Geschichte „gelehrt“, sondern in kurzen lebendigen Textstücken auf ein wesentliches Ganzes hingewiesen. Noch nie sind mir historische Geschichten und „Legenden“, beleuchtet durch entsprechende Bilder, so nahe gekommen.
Erzählt wird vom Anfang der Habsburger, um dann „auf den Schwingen des Turuls, dem mythischen Fabelwesen aus der ungarischen Sagenwelt“, auf Pannonien hinzuweisen. Pannonien ist ein viel umkämpftes Land, das durch Ein- und Abwanderungen verschiedenen Einflüssen ausgesetzt war und so durch kulturelle Vielfalt gekennzeichnet ist. Ingrid Schramm und Andrea Glatzer lassen uns die Verflechtungen, Verwicklungen und Verbindungen der „Mächtigen“ wie in „Echtzeit“ miterleben. Die Kürze der Schilderungen ist für den Leser einprägsam. Die Autorinnen beleuchten nicht nur die „große Geschichte“; sie bringen uns auch die gesellschaftspolitischen und persönlichen Ebenen der jeweiligen Protagonisten nahe. Sie lassen uns an Schmerz, Ungerechtigkeit – und Flüchen! – teilhaben, so dass wir mitfühlend in das Geschehen hineingezogen werden. Über die furchtbare Verfluchung des Geschlechts der Habsburger durch die Ehefrau des zum Tode verurteilten ungarischen Rebellen Batthyány habe ich erst hier gelesen.
Auch vom massiven Ehestreit zwischen dem kaiserlichen Paar Elisabeth und Franz Josef über die Erziehung des kleinen Kronprinzen wird berichtet.
Ergänzend wird auch die Schilderung der ungarischen Feudalherrschaft und des Lebens der Fronbauern durch die kritische, scharfsichtige Marie von Ebner-Eschenbach im Roman Er lässt die Hand küssen nacherzählt. Dieses von einer Frau, die ihr ganzes Leben lang gegen etablierte Vorstellungen ihrer Zeit gekämpft hat, gezeichnete lebensnahe, reale Bild führte im Bewusstsein der Intellektuellen dieser Zeit bis hinein in das Haus Habsburg zum Umdenken. Kronprinz Rudolf und die sozialdemokratisch denkende „rote Rebellin“ sind bekannte Beispiele. Betroffen lese ich auch von der fünfjährigen kleinen Elisabeth, die ihren toten Vater, den Kronprinz Rudolf, mit einer Bandage am Kopf das letzte Mal sieht.
Dazwischen ein Blick aus anderer Perspektive: Da wird die Geschichte einer Oma erzählt, die das Krönungsgewand von Kronprinz Otto geschneidert hat; sie steht für die vielen Schicksale zwischen den Zeilen der Geschichtsbücher.
Hier konnte ich natürlich nur einige Details erwähnen. Jedenfalls hat mir die Fülle des Erzählten zu einem neuen, umfassenderen Geschichtsbewusstsein verholfen. Und weil auf der Rückseite des Buches aus „Tausendundeiner Nacht“ zitiert wird: Auch ich habe beim Lesen an Scheherazade gedacht. Da wird eine Geschichte erzählt und gleich darauf wird der Leser durch die nächste in den Bann gezogen …
Eva Meloun (2024)