Rezension
Verena Dolovai
Dorf ohne Franz
Septime 2024, 168 Seiten
ISBN 978-3-99120-035-2
Virtuos schildert Verena Dolovai in ihrem Debütroman die traditionellen, patriarchalen Strukturen eines Dorfes, die für ihre Protagonistin zum Verhängnis werden. Dolovais klare, nüchterne Sprache zieht den Leser sogleich in den Bann und überrascht mit unerwartet zarten und verletzlichen Zwischentönen, die eine stille Poesie entfalten. Die Ich-Erzählerin Maria wächst mit ihren Brüdern Josef und Franz auf einem Bauernhof auf. Ihre Kindheit wird überschattet von der Gleichgültigkeit, Lieblosigkeit und Kälte ihrer Eltern. Als Mädchen ist sie für den Vater nichts wert und auch die Mutter schenkt ihre Aufmerksamkeit und Zuneigung allein ihrem letztgeborenen, sensiblen Sohn Franz, den sie vergöttert. Der jungen Maria wird eine Ausbildung verwehrt und da jedes Anderssein von der Dorfgemeinschaft bestraft wird, fügt sie sich in die ihr zugedachte Rolle als gute, pflichtbewusste Frau an der Seite eines Mannes. Gefangen in einer unglücklichen Ehe mit einem Trinker hilft Maria am elterlichen Hof, arbeitet im Gasthaus ihres Schwagers mit, pflegt die Alten und begleitet sie auf ihrem langsamen Weg in den Tod. Während Maria ein tristes Dasein fristet, das wenig Glück und Freuden bereithält, versiegen ihre Sehnsucht nach Freiheit, nach der Stadt und fremden Ländern und ihr Hunger nach Leben niemals. Für den Leser, den die eindringliche Schilderung von Marias beklemmendem Schicksal nicht unberührt lassen kann, gibt es ein spätes Aufatmen und Hoffen, als sich für die Protagonistin des Romans schließlich und endlich doch noch eine Gelegenheit ergibt, den engen Grenzen des Dorfes zu entkommen. Mit „Dorf ohne Franz“ ist Verena Dolovai ein beeindruckendes Debüt gelungen, das von der ersten bis zur letzten Seite fesselt und dessen Figuren dem Leser noch lange in Erinnerung bleiben werden.
Astrid Kohlmeier (2024)