Rezension
Michael Kanofsky
Engel im Schatten des Flakturms
Roman
duotincta Verlag
ISBN 978-3-946086-44-4
Wenn sich der Leser an den Stil Kanofskys gewöhnt hat, der an den einer Avantgardebühne gegen 1969 erinnert, erschließt sich ihm eine nicht uninteressante Geschichte, die zwar alle Wien-Klischees von Backhendel bis Kaffeehaus bedient, aber zum Glück auch in andere Städte der Welt führt: etwa auf Spuren Stefan Zweigs nach Brasilien. Hier ein Auszug von der ersten Seite: „Der Philosoph Sloterdijk schwingt auf sein schwarzgelacktes Bike: braust zu neuen Diskursen oder einer seelenverwandten Studentin mit Modelkörper, wohnhaft in Wien-Margareten, Gemeindebau, vierte Stiege. Taubenmist, angetrocknet auf dem Luegerdenkmal. Davor, hockend im dürren Wiesengras, drei, vier Besoffenen, die Dosenbier aus ihren Plastiksackerln kramen: heute im Angebot für fünfundvierzig Cent bei Interspar.“
Die Nachlasserschließung eines Literaturwissenschaftlers ist lohnender Einfall, um die Handlung Stück für Stück, spannend und mit Überraschungen, aus der Vergangenheit auferstehen zu lassen. Der Protagonist, ein Freund des besagten Germanisten, lernt auch mehrere Damen kennen, die den Professor noch zu Lebzeiten kannten. Dies sorgt ebenso für gewisse biographische Aufschlüsse wie auch für eine gewisse romantische Würze.
Hier und da rutschen Kanofsky auch grammatisch einwandfreie, regelrecht leserfreundliche Sätze heraus, das will ich nicht leugnen. Es ist schade, dass eine interessante vielversprechende Handlung durch einen Stil zunichtegemacht wurde, der verzweifelt versucht, modern zu sein, es aber nicht mehr ist. Der Autor sollte in seinem nächsten Buch vor allem an den Leser denken und ihm den Zugang zu seiner zweifellos interessanten Geschichte erleichtern, statt diesen durch eine unnötig wirre Sprache zu verbarrikadieren.
Rezensent: Max Haberich