Rezension
Petra Sela
Fahrtwind - mit der U-Bahn durch Wien
Haiku. Bilder von Helmut Rusche. Österreichische Haiku-Gesellschaft / Austrian Haiku-Assozia- tion, Wien 2021.
ISBN. Wien 978-3-9504782-5-9. – 96 Seiten.
Petra Sela, vielseitig schaffende Allrounderin in der Kunst- und Literaturszene, Verlagsgründerin, Organisatorin literarischer Veranstaltungen und Malerin - wurde auch als Autorin einer langen Reihe von Büchern mit Lyrik und Prosa bekannt. Petra Selas Liebe zur Haiku- Dichtung und die Beschäftigung mit fernöstlicher Kultur führte dazu, dass es seit 2010 neben der bekannten Deutschen auch eine sehr erfolgreiche Österreichische Haiku-Gesellschaft gibt, als deren Gründerin, Präsidentin und Herausgeberin der Zeitschrift „Lotosblüte" sie weit über die Landesgrenzen hinaus tätig werden konnte. Zu ihrem Einsatz für japanische Dichtung kam die Beschäftigung mit komparativer Philosophie zwischen Ost und West sowie die Leitung entsprechender literarischer und bildnerischer Projekte. Zahlreiche Ehrungen würdigten ihre Verdienste.
Eine Reihe von Haiku-Bänden und Anthologien im Rahmen der Österreichischen Haiku-Gesellschaft gingen dem zuletzt erschienenen Band von 2021 voraus. In dieser Zeit wurde Petra Sela für gewissenhafte Forschung und einfühlsamen Nachvollzug japanischer Wortkunst im deutschen Sprachraum bekannt; Sehr verdienstvoll auch deshalb, weil die ZEN-Philosophie, mit der das Haiku eng verknüpft ist, für den westlichen Menschen meist unzugänglich ist. Traditionell-europäische Denkweise lässt das Haiku an seine japanischen Vorbilder nur selten herankommen. Bei Petra Sela ist das in erfreulicher Weise anders.
„Fahrtwind. Mit der U-Bahn durch Wien" ist sowohl vom originellen Thema her als auch von der Betrachtungsweise desselben äußerst interessant. Welcher Europäischer, welcher Wiener Autor würde denn jeder U-Bahnstation, die er vielleicht müde und von so viel anderem abgelenkt, meist gedankenlos durchfährt, ein Gedicht widmen? Petra Sela als Kennerin und tägliche Benützerin dieser praktischen Einrichtung, wendet sich an jeder Station Zufallserscheinungen zu, die sonst keiner beachtet: flüchtigen Ereignissen, einfachen Menschen in ihrem vergessenen Dasein, alltäglichen Situationen und im Fahrtwind vorüberziehenden Bildern. Ein interessantes Vorwort von Traude Veran gibt dem Leser in erfreulicher Weise Einblick in die Arbeitswelt der Haiku-Dichterin.
Oft und gern fährt Petra Sela mit der U1:
ziegen meckern und der waggon plötzlich
esel laufen durch den schnee leer – die fahrgäste strömen
am verteilerkreis zum gänsehäufel
oder mit der Linie U2:
unter dem schutz der der kirschbaum trägt
karlskirche studenten im früchte – einige fallen auf
gras neben hunden den firmenparkplatz
Auch die U3 hat Interessantes zu bieten:
karotten erbsen im meiselmarkt beim
zwiebel und erdäpfel fleischhauer das leberkäs-semmerl
direkt bei der u-bahn und kebab
Viel zu sehen gibt es entlang der U4 und U6:
der wienfluss begleitet im wasserpark die schwäne
uns als rinnsal oder grundeln nach pflanzen
als reißender fluss brot schwimmt auf dem wasser
Treffend und durchwegs beachtenswert in diesem sorgfältig gestalteten HaikuBand ist die künstlerische Ausstattung mit bunten Bildern. Eindrucksvolle Fotos des Meisterfotografen Helmut Rusche bringen mit ihren charakteristischen Darstellungen Wiener Wirklichkeiten im U-Bahn-Bereich einprägsam zu Geltung.
Rosemarie Schulak