Rezension
Valerie Huber
FOMO Sapiens
Goldegg Verlag 2025, 304 Seiten
ISBN 978-3-99060-473-1
Die Schauspielerin Valerie Huber hat ein Buch geschrieben, dessen Titel einen Nerv trifft: die sogenannte FOMO („fear of missing out“), also die lähmende Angst, etwas im Leben zu verpassen, gilt schließlich als charakteristisches Leitgefühl der jüngeren Generationen. Hauptverantwortlich dafür ist das heutige Überangebot an Möglichkeiten, das zu einem „Auswahlparadox“ führt, das die Autorin zu Beginn des Buches treffend beschreibt: „Je mehr Optionen wir also haben, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, die falsche getroffen zu haben.“
Da ist die traurige Erkenntnis, dass mehr Freiheit nicht unbedingt mehr Glück bedeutet, sondern vielmehr zu Überforderung und Selbstzweifeln führt. Verstärkt werden die Ängste des Fomo Sapiens durch den permanenten Wettbewerb auf Social Media, der immer noch weitgehend unkontrolliert den digitalen Raum dominiert. Die gesundheitlichen Gefahren, die von Social Media Plattformen ausgehen, sind von der Politik allzu lange ignoriert worden, und es ist der Autorin zu danken, dass sie als Teil der betroffenen Generation das Kind beim Namen nennt: „Es ist eine Sucht, um kein Stück besser als eine Alkohol- oder Nikotinabhängigkeit.“
Wie unendlich schwer es heute ist, sich von dieser Sucht zu lösen, ihren Konsum zu reduzieren, zeigt sich gegen Ende des Buches, wenn die Autorin offen gesteht, dass sie ohne Instagram „erheblich glücklicher“ wäre, ihre Arbeit jedoch Online-Präsenz erfordert. Es ist eine berührende, ehrliche Erkenntnis, die das ganze Dilemma eines Kulturbetriebs zeigt, der sich längst von Social Media abhängig gemacht hat, und heute mit den Konsequenzen leben muss. Von solchen offenen, persönlichen Einblicken in die komplexen Wechselwirkungen von Arbeitsdruck, Selbstvermarktung und der Sehnsucht nach innerer Freiheit hätte es gerne noch mehr geben können.
Doch die Autorin verfolgt in ihrem Buchdebüt eine größere Ambition: Anhand von 34 Leitfragen erstellt sie eine umfassende und breit gefächerte Liste der globalen Gegenwartskrisen, die ihre Generation heute mehrheitlich beschäftigt und verunsichert. Sie arbeitet mit vielen Aufforderungen und Appellen, richtet sich auch mal direkt an ihr Publikum und beschwört dabei ein verbindendes „Wir“-Gefühl. Themen wie Ernährung, Kinderwunsch und Konsumwahn werden im Buch ebenso verhandelt wie die Arbeit der UNICEF und die grausame Tradition der Genitalverstümmelung von Mädchen in Afrika. Dass der Klimaschutz der aktivistischen Autorin besonders am Herzen liegt, ist auf jeder Seite zu spüren.
In einfacher, flüssiger Sprache geschrieben, bestätigt das Buch die hohen Ansprüche einer verantwortungsbewussten Generation an sich selbst, sowie ihren existentiellen „Struggle“, im Nebel von Kapitalismus, Selbstverwirklichung und Handysucht den moralischen Durchblick zu behalten und nicht an den drohenden Katastrophen der Zukunft zu verzweifeln. Somit kann man „Fomo Sapiens“ vor allem als einen engagierten Denkanstoß lesen, der zur vertiefenden Diskussion anregt.
Constantin Schwab (2025)