Rezension
Dietmar Grieser
Geliebte Ukraine
Amalthea Verlag, Wien, 2022, 160 Seiten
ISBN 978-3-99050-238-9
Fassungslos schauen wir dem Kriegsgeschehen in der Ukraine zu und denken: „Wir müssen etwas tun!“ Das dachte wohl auch der Amathea Verlag und bat den Autor Dietmar Grieser, aus seinen Manuskripten früherer literarischer Reisen eine neue Ausgabe zu erstellen.
Und so lesen wir von Menschen und Begebenheiten aus dem Vielvölkerstaat Ukraine, das ja kaum je ein Staatswesen war, sondern immer wieder zerteilt wurde und schließlich zur Sovietunion gehörte. Erst 1991 erfolgte die Republikgründung, was einen deutlichen Aufschwung bedeutete.
Allerdings gab es auch sofort Probleme mit dem Dombas. Und damit sind wir gleich beim ersten Kapitel des Buches: „Donezk – ein Reitpferd für Stachanow“ 1979 wollte der Autor die südwestliche Millionenstadt besuchen, was niemand verstehen konnte, denn schön war sie nie. Eine Stadt, die als einzige Attraktion 24 Bergwerke mit einer Förderung von täglich 70 000 Tonnen Kohle aufzuweisen hat, ist für Besucher nicht attraktiv, auch wenn sie „Stadt des Arbeitsruhms“ genannt wird. Aber da war ja noch Stachanow, der Held, der die Norm um das vierzehnfache überbot, ein reich dekorierter „Held der Arbeit“, dessen Andenken noch immer hoch gehalten wird. Auch das ist Spurensuche, allerdings keine literarische, bringt uns heute aber diese ständig in den Medien genannte Stadt und ihre Bewohner irgendwie näher.
Die vielen Ukrainer, ob nun ruthenische Bauernabkömmlinge oder deutschsprachige Beamte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, ob Juden oder zur polnischen Minderheit gehörend, ihre Namen sind uns bis heute bekannt: zum Beispiel Leopold Sacher-Masoch, Eugenie Schwarzwald, Leo Bronstein alias Trotzki, oder der einst weltberühmte Tenor Josef Schmidt, sie alle hatten Bezüge zu Österreich. Oder Scholem Alejchem, der nach den USA ausgewandert ist und dessen Milchmann, den es in der Nähe von Kiew wirklich gegeben hat, eine steile Karriere als Buch, Theateraufführung und Musical machte. Auch Landschaften wie Grodek sind „dank“ Georg Trakl in die Literaturgeschichte eingegangen.
Wer die literarischen Reisereportagen und Porträts schon früher einmal gelesen hat wird sie jetzt anders lesen und wer sie nicht kennt wird überrascht sein, wieviel Kreativität im ukrainischen Kulturraum vorhanden war und wie viele Bezüge es zu Österreich, vor allem zu Wien, gab.
Neu dazugekommen sind zwei Kapitel, nämlich das Vorwort mit der Beschreibung der Barbara Kirche, dem Treffpunkt der Ukrainer in Wien, und dem Kapitel über die Ukrainische Mezzosopranistin Zoryana Kushpler, die von 2007 bis 2020 an der Wiener Staatsoper engagiert war.
Die Menschen aus den historischen Kapiteln sind nun alle tot, aber die „Schauplätze der Weltliteratur“ konnte man bis vor kurzem besichtigen. Nun werden sie in Schutt und Asche gebombt! Wie ist denn das nur möglich…?
Elfriede Bruckmeier