Rezension
Maria Stahl
glück wär ich dir gerne gewesen
SoralPRO 2023, 68 Seiten
ISBN 978-3-903223-60-8
Der Titel weist die Richtung; er lautet nicht etwa „glück sind wir einander gewesen“, sondern bemüht wohl ganz bewusst, ja notgedrungen den Irrealis der Vergangenheit, jene Möglichkeitsform, die unser Leben in weitaus höherem Maße prägt und bestimmt, als uns lieb ist. Denn was könnten wir einander nicht alles gewesen sein, wenn die Worte, die wir miteinander wechseln, nicht so reich an Missverständnissen wären, die Bilder, die wir uns voneinander machen, den Blick auf einander nicht so sehr verstellten?
Zweisamkeit ist ein flüchtiger Zustand, Liebe ein zerbrechliches Gut; die Dichterin weiß darum und spricht davon in schlichten Versen, „verknappt, von Verzierungen und Spielereien befreit“, wie Karl Mittlinger in seiner einfühlsamen Einbegleitung treffend bemerkt.
Eine Aura von Traurigkeit liegt über diesen Versen, einer Traurigkeit, die viele Gesichter hat und vielerlei Gestalt annimmt. Da ist einmal die „kleine / tägliche traurigkeit“, die „auf katzenpfoten / durchs haus“ geht, „ganz leise“; und da ist die große Traurer um eine Nähe, die nicht aufrecht zu erhalten war, ein gemeinsames Leben, das nicht zu Ende gelebt werden konnte, eine Sehnsucht, die sich nicht erfüllte, die Sehnsucht, anzukommen in der Gegenwart des anderen, „heim[zu]kommen / in den geruch / deiner haut / in den blick / deiner augen“.
Der Band endet mit der Andeutung eines Abschieds; eine Grenze wird gezogen, Distanz wieder hergestellt, das Weite gesucht: „schließ die türe / hinter mir / sag / ich soll nicht / wiederkommen / schau mich an dabei // vielleicht / kannst du dir vertrauen / oder mir / beides wäre verwegen“.
Was bleibt, ist das Wissen, „dass die kommenden träume / wie bitterer honig sind“; was bleibt, ist aber auch ein „vermessenes hoffen“ wider besseres Wissen, trotz aller Enttäuschung.
Maria Stahl, man spürt es deutlich bei der Lektüre dieser Verse, hat bereits einen weiten Weg hinter sich, einen Weg, der sie durch viele Täler geführt haben mag, von Verlust zu Verlust. Sie gehört zu jenen Kolleginnen aus unserem Kreis, die wenig von sich reden machen. Ihre Gedichte aber, diese Nachrichten aus dem unendlichen Zwischenraum, der Ich und Du trennt und verbindet, sind allemal der Rede wert.
Christian Teissl (2024)