Rezension
Elisabeth Schawerda
Helle Tage Dunkle Träume
Gedichte
Reihe leguas de tierra, Bd. 5, Hrsg. Österr. PEN-Club
korrektur verlag - pen austria, Munderfing 2021, 57 Seiten
ISBN 978-3-9519832-9-5
Geprägt vom stets wechselnden Hell-Dunkel der Tages-und Jahreszeiten sind hier in dem fein gestalteten Gedichtband 51 Sommergedichte mit hellen und dunklen Themen versammelt. Unter dem Zeit-Bogen vom Frühlingsäquinoktium zum Herbstäquinoktium sind sie atmosphärisch miteinander verbunden. Die Waage der Erdentage zwischen den Hell-Dunkel-Hälften ist zweimal im Jahr im Lot, dann das Wachsen des Lichts bis zum Zenit, der Sommersonnenwende und danach, allmählich im Schwinden der Helligkeit hineingleiten in spürbares Dunkel.
Äußere Bedingungen, wie Licht, Landschaft und verschiedene Arten der Umgebung beeinflussen die Menschen in ihren Wahrnehmungen, Begegnungen und Entscheidungen bis hinein in ihre Träume.
Aus den vielen Möglichkeiten diese Vorgänge und Zusammenhänge darzustellen, wählte Elisabeth Schawerda die subtilen und auch schlagkräftigen Werkzeuge ihrer unverwechselbaren Lyrik. Es sind klare, unverrenkte Worte mit denen sie Bilder teils skizzenhaft zeichnet oder farbig malt – fast suggestiv - hinein in die Gedanken der Lesenden.
Frühlingsäquinoktium, Flüchtiges Gleichgewicht./
Im vorbeirauschenden Augenblick eine Berührung…/
…Bald stöbert mit sehnigen Händen / langfingrig das Licht in dämmrige Winkel. (S.7)
…Der Schlaf ist eine Reise / an alle Enden des gelebten / und ungelebten Lebens.
Die Rückkehr schleppt oft schwere Last. (S.17)
… Wie eine Umarmung / kommt dann das Licht…. (S.18)
Sonnenwende / …Die Zeit steht still / am Scheitel des Jahres. /
Ein kurzer Traum von Dauer… (S.32)
In den Sommernächten erwacht unser heidnisches Erbe….
Schmelzende Stille um unsere Körper / und anders ganz anders wiegt uns
das Leben / unterm Tanz der wunscherfüllenden Sterne / …(S.38)
Sommersturm / …Den entzündeten Bäumen / wirft es die Vögel /
wie totes Laub aus den Kronen. (S. 41)
Und so wie in den lichten Sommertagen die nur wenig versteckten Sehnsüchte nach Leben quellen, nisten in den nachtgeprägten Tagen dunkle Träume, schwer von kreisenden Gedanken.
September / Der Tag versucht uns zu täuschen / mit Wärme und goldgrünem Licht….
Gemeinsam ist allen Gedichten die kaum beschreibbare Intensität. Bilder und Assoziationen entstehen, nachvollziehbar, berührend und mit der Faszination changierender Mehrdeutigkeit. Manchmal wandeln sich die Worte zu Stimmen mit Rhythmus und Klang.
…Die Bora kreischt. / Horizonte stürzen / verschlingen einander… (S.36)
Über das Kosmische hinaus führen die Texte auch an die inneren Grenzen des Seins zur Überwindung von Verlust und Schmerz.
Aus der Reibung dunkler Stunden / springen Funken./
Wie Zunder brennen / die Gedanken…es schneit Erinnern / es hagelt Bilder…(S.48) Hier wo das Leben ins Unwiederbringliche / mündet… (S.49)
Und an den Grenzen von Tag und Traum sind immer noch die Freuden der zeitlos sinnlich-erotischen Sehnsucht ein Lebensimpuls.
…wo ist Apoll? Wird er kommen / barfuß mit leichten Schritten/ und lockeren Schultern / …und jeder Muskel ein Spiel / aus Spannung und Muße?...(S.43)
Wer diese besonders bewegende Lyrik von Elisabeth Schawerda kennt und sie schon in ihren zahlreichen Publikationen genießen konnte wird mit diesem Band wieder um einen literarischen Schatz bereichert sein - und wieder darin beeindruckt verweilen.
Sidonia Gall
Im handlichen ‚Steck-mich-ein-nimm-mich-mit‘-Format präsentiert Elisabeth Schawerda einundfünfzig lyrische Kostbarkeiten und wählt hierfür einen Titel, der auf Gegensätzliches schließen lässt. Dieses bezieht sich aber fast ausschließlich auf eine gewisse ‚lyrische Farbgebung‘ jedes einzelnen Gedichtes, das zum Lesen und Verweilen einlädt.
Dafür nehme man sich Zeit, viel Zeit, und lasse sich von der Autorin zu verschiedenen Plätzen auf unserer Welt mitnehmen. Sie hat Erfahrung, ist weitgereist und lässt in geringzeiligen, impressionistisch anmutenden Worttupfern den Kvarner, den Neusiedlersee, eine griechische Insel, einen kroatischen (oder sardinischen?) Gebirgspfad, die Tundra oder auch die Rocky Mountains von New Mexico vor uns entstehen. Dazwischen Verse zur Natur, zu Blumen und Gärten und zu Besonderheiten der Jahreszeiten, weshalb die Frühlingssonnenwende den lyrischen Reigen anführt und – folgerichtig – Zeilen zum Herbstäquinoktium diesen abschließt.
Die Stille zu verschiedenen Gelegenheiten ist der Autorin ein Anliegen, ebenso Gedanken an unbeschwerte Kindheit, schmerzliches Erinnern, Verlust und Tod. Dazwischen eingestreut sind einige von Humor und Selbstironie getragene Verse. Sie sind gewissermaßen die ‚Hellen Tage‘ zwischen den ‚dunklen Träumen‘.
Es hat den Anschein, als wären (fast) alle zu Zeiten des ‚dunklen Lockdowns‘ und der ‚hellen Tage‘ der Einschränkungserleichterungen verfasst worden. Vielleicht. Sollte sich alles wiederholen – Stichwort: Die Omikron-Variante zu Zeiten, als diese Rezension geschrieben wurde –, dann nehme man sich dieses wertvolle Kleinod in den weiß Gott wievielten Lockdown mit. Kunstwerke haben immer schon geholfen, schlimme Zeiten zu überstehen. Dass schöne Zeiten durch sie noch schöner werden können – das muss nicht extra erwähnt werden.
Dem Verlag ist bei der Abfassung des eigentlich nicht notwendigen Inhaltsverzeichnisses zwar ein kleiner Lapsus unterlaufen, aber der ist der Qualität und der Schönheit des Inhalts in keiner Weise abträglich.
Langsam Lesen und dazwischen Pausen machen. Beim Vers verweilen – nicht gleich zum nächsten eilen …
Michael Stradal