Rezension
Michael Dangl
Hymnos an den Süden
Gedichte.
Braumüller Verlag 2022, 123 Seiten
ISBN 978-3-99200-323-5
Als Schauspieler und Rezitator hat Michael Dangl, Ensemblemitglied des Theaters in der Josefstadt, zahlreichen Texten der österreichischen Literatur, alten und neuen, bewährten und noch unerprobten, seine Stimme geliehen, in den vergangenen Jahren aber in zunehmendem Maße auch als Autor von sich reden gemacht. Nach einer Reihe von Prosabüchern – zu nennen sind hier vor allem die beiden Romane Im Rausch und Orangen für Dostojewskij – legte er zuletzt seinen ersten, in langen Jahren herangereiften Lyrikband vor.
Ein schmaler, handlicher Band, zeigt er am Cover den Ausschnitt eines Ölgemäldes von Eduard Angeli, Die letzte Glut: In hauchzarten Farben und Farbtönungen ist hier das sinkende Licht über dem Meer eingefangen, am Ende eines glutheißen Tages irgendwo in mediterranen Gefilden.
Eine bessere Einstimmung auf die Lektüre dieses Bandes als dieses Bild kann es nicht geben, sind doch alle Texte, die er enthält – der „Hymnos an den Süden“, der ihn eröffnet und ihm den Titel gibt, der ihn abrundende „Canto Veneziano“, aber auch die lyrischen Miniaturen, die diese beiden Langgedichte liebevoll in ihre Mitte nehmen – eine einzige Feier des südlichen Lichts, des südlichen Sommers und der südlichen Lebensart. Als Schauspieler ist Michael Dangl das Rampenlicht gewohnt, als Dichter hingegen sucht er die Sonne, sucht sie in sich aufzunehmen mit allen Fasern seines Leibes und mit ganzer Seele. Schon als Kind war ihm „die Zeit seit September ein Warten stets auf den Mai“, wie er gleich zu Beginn seines „Hymnus“ bekennt. Ihm wurde es offenbar schon früh zur sinnlichen Gewissheit, dass „die winterliche Welt / unserer Liebe bedarf / während die sommerliche / uns liebt.“
Könnte er es den Zugvögeln nachmachen, er würde „so reisen / dass in jedem Land / gerade Sommer ist“, würde in einem fort „eine durch und durch / und ausschließlich / sommerliche Erde / umrunden / mit leichtem Gepäck und leichtem Gemüt“. Nun, auch er ist ein Mensch mit Verpflichtungen, auch ihm bleibt nichts anderes übrig, als immer wieder mit „dem harten Brot des Winters“ vorlieb zu nehmen, mit Nebel und Nässe, mit den langen Nächten und kurzen Tagen. Dafür aber lässt er seine Verse ziehen, lässt sie fliegen mit dem Wind, Jahr für Jahr, und was sie unterwegs einsammeln an Licht und Luft, an Farbe und Klang, an erfüllter und unerfüllbarer Sehnsucht, teilt sich unmittelbar mit und bleibt im Gedächtnis wie die Erinnerung an einen weiten, schönen Sommertag.
Christian Teissl (2024)