Rezension
Simon Konttas
Ich war ein kleiner Gott
Verlag Hans D. Smoliner 2023, 54 Seiten
ISBN 978-3-9505338-1-1
Vier ausgewählte Kurzgeschichten sind in Simon Konttas‘ neuester Publikation versammelt, deren tragisch-komische Helden eines gemeinsam haben: Sie alle sind auf ihre ganz eigene Weise Gefangene, ob in rigiden Weltanschauungen, einer unglücklichen Ehe, einer überängstlichen Liebe zum Kind oder im ganz wörtlichen Sinn als Gefängnisinsasse in einer Gummizelle. Dem Autor gelingt es, seine Figuren zu demaskieren und ihre Psychologie in Situationen freizulegen, in denen sie die Kontrolle verlieren, nicht mehr Herr ihrer Emotionen sind und ihr wahres, ungeschöntes und doch gleichzeitig zutiefst menschliches Gesicht zeigen. Da ist der Lehrer an einer Ordensschule, der in der Liebe zur Muttergottes aufgeht, doch angesichts einer widerspenstigen Schülerin, die einen toten Vogel begraben möchte, völlig die Fassung verliert. Da ist der Ehemann, der auch einmal zuschlägt und im Urlaub versucht, die Beziehung zu seiner Frau zu retten, nachdem er deren jüngerer Schwester zu nahe gekommen ist. Da ist die Mutter, die ihren Sohn nicht in die Schule schickt, wenn eine Angst ihn plagt und die angesichts seiner kindlichen Zeichnung in Unsicherheit gerät und da ist ein Krimineller in Haft, der sich in einem wehleidigen, vor Kraftausdrücken strotzenden Gebet an Gott wendet. Es bleibt dem Leser überlassen, ob er sich von diesen Protagonisten abwendet oder ihnen Mitgefühl oder gar Verständnis entgegenbringt. Allein gleichgültig kann man ihnen nicht gegenüberstehen. Eine besondere Zugabe ist die dem Buch beigelegte Audio-CD, auf der Simon Konttas selbst und sein Schriftstellerkollege Ludwig Roman Fleischer die Geschichten lebendig und eindringlich lesen.
Astrid Kohlmeier (2024)