Rezension
Christa Maria Till
Luftsprünge mit Siebenmeilenstiefeln
Auf Weltreise
Band 1 und 2
Edition Ki
ISBN 978-3-906636-34-4 und 35-1
Christa Maria Till zieht ihre Siebenmeilenstiefeln an und macht Luftsprünge von Land zu Land, Untertitel „Auf Weltreise“. Man kann heute in ein paar Tagen um die Welt fliegen und dank der Billigflüge auch noch kostengünstig! (Vor der Covit 19 Pandemie allerdings!) “. Mit der vermehrten Reisetätigkeit nahm auch die Produktion von Reisebüchern immer mehr zu. Die Bücher dieser Autorin allerdings sind anders.
Beim bloßen Durchblättern dieser zwei schmalen Bände wird sich vielleicht manche Leserin, mancher Leser an selbst verfasste Reisetagebücher mit eingeklebten Aquarellen und Postkartenfotos erinnern, und diese liebenswürdigen Kleinigkeiten schätzen. Mit ihren imaginären Stiefeln springt die Autorin tatsächlich von Schauplatz zu Schauplatz, vermeidet dabei bewusst sämtliche touristischen Sehenswürdigkeiten und überrascht den Leser, indem sie einen ganzen Schatz an Wissen und Lebensphilosophie vor ihm ausbreitet. Sie hält sich immer fern von allseits Bekanntem, nicht Delphi also sondern Dodona, Shikoku statt Tokio und Nara statt Kyoto.
Aber beginnen wir mit dem Anfang: zunächst ein Interview mit der Filmemacherin Lina Wertmüller (ach, die lebt noch, denkt man), danach ein wenig flanieren zu den ganz alten Schätzen Roms. Immerhin erfährt man dabei, dass die Autorin Tochter eines Historikers ist. Ein paar Brocken Biographie kommen noch bei der Lektüre der beiden Bände hinzu – sehr wenig, und auch Herr Google ist nicht wirklich hilfreich! Von ihrem Verlag KI, beheimatet in Zürich, werden regelmäßig ihre klugen Reisebücher herausgegeben, auch Essays zu Geschichte und Literatur, aber kein „Klappentext“.
Nun sind wir bereits in Schottland, bei alten Bräuchen, und dann in Irland. Dass der Ulysses von James Joyce unleserlich sein soll finde ich schon ein bisserl stark , aber Geschmäcker sind eben verschieden. Weiter geht es nach Frankreich, doch nicht nach Paris, das die Pariser für das einzig wahre Frankreich halten, sondern auf´s Land. Vielleicht könnte man im Burgund ein altes Steinhaus erwerben und dort leben und schreiben…?
Dem wunderbaren Fotografen Sebastiao Salgado, dem 1991 eine ganze Nummer des Schweizer Heftes DU gewidmet wurde, (Die Welt des Parfums) wird beim Durchwandern seiner Ausstellung gehuldigt: Ein glühender Bewunderer der Schönheiten unserer Welt und Kriegsberichterstatter in einer Person.
Weiter zu Emma Kunz, Heilerin und Künstlerin aus der Schweiz, dann ins Silicon Valley zu einer Zukunftskonferenz, aber anschließend doch lieber zu den Hopi und weiter nach Mexiko . Mit Siebenmeilenstiefeln ist alles möglich, so kommt man auch ins österreichische Wald- und Weinviertel.
Immer wieder innehalten und Ungewöhnliches erkunden ist die Devise, z.B. um in Neuseeland zu Janet Frame zu gelangen. „Ein Engel an meiner Tafel“, das war doch der wunderbare Film von Jane Campion, als Vorlage diente aber natürlich die berührende Autobiographie der Janet Frame.
In Russland denkt sich Christa Maria Till in die Figuren des Idioten von Dostojewski und in eine der drei Schwestern von Tschechow hinein, man vermeint geradezu die unendlichen, weiten Ebenen, die
Gutshöfe und die Behausungen der armen Bauern zu sehen, natürlich auch die bunten
Kuppelkathedralen. Und es wird nicht auf Sibirien vergessen, das Jahrhundertelang ein einziges
Straflager war.
Doch nie wertet die Autorin, sie beobachtet, reflektiert, stellt dar. Über die Superreichen, die zum Mars
fliegen wollen, schüttelt sie allerdings innerlich den Kopf. Durch Tibet wandert sie mit einer frühen
Weltreisenden, Alexandra David Néel, und einem jungen Lama. Zuletzt übt sie sich in der Kunst der
Arabischen Schrift. Jetzt, wo in Europa kaum noch schön geschrieben wird bekommt die Kalligraphie
einen besonderen Stellenwert.
Am Ende noch ein Exkurs über die Pandemie, die bei Drucklegung der Bücher eben begonnen hatte.
Im verordneten Hausarrest waren die kleinen inhaltsschweren Büchlein eine erfrischende
Abwechslung neben den Prachtbänden mit Abbildungen der Herrlichkeiten aus aller Welt.
Elfriede Bruckmeier