Rezension
Wolfgang Groiss
Mosaik der Zeit
Gedichte zum Verweilen in eiliger Zeit
Verlag Berger, Horn/Wien 2020, 120 Seiten
ISBN 978-3-85028-918-4
Das Werk von Wolfgang Groiss ist umfangreich und vielseitig, es umfasst Jahrzehnte der Produktion und reicht von heiterer Lyrik bis zur Mundart, kehrt aber immer wieder zu den großen ernsten Themen der Lyrik zurück.
Der vorliegende Band ist eine Art Zusammenschau der vergangenen Beschäftigung mit Liebe, Landschaft, Jahreszeiten, Vergänglichkeit und unserem Verhältnis zu Gott, Themen, die ja alle innig zusammenhängen.
Die Präsentation der Gedichte ist ungewöhnlich, sie wurden nicht in Themenkreisen zusammengefasst, sondern in der alphabetischen Reihenfolge ihrer Titel aufgefädelt. Dadurch ergeben sich ungewöhnliche Nachbarschaften, Philosophisches steht neben Liebeslyrik, Jahreszeitengedichte neben Religiösem oder Politischem. Es kommt zu scheinbaren Konfrontationen, die auf den ersten Blick befremden. Dann aber erschließt sich die Absicht, denn am Ende kommt doch ein Ganzes dabei heraus: Landschaft, Philosophie, Politik, Religion, seelische Empfindung sind doch gemeinsam die Bausteine des Lebens, gehen ineinander über und sind nicht getrennt voneinander zu verstehen. Der alphabetische Zyklus wiederholt nur den Zyklus des Lebens, einmal kommt uns dieses Thema, das andere Mal ein anderes Problem des Lebens unter, es kommt nicht alles fein säuberlich und getrennt daher. Am Ende entsteht ein Gesamtbild, das aus gar nicht so vielen Elementen besteht. Das wirklich Wichtige setzt sich nur aus einer Handvoll von Themen zusammen, denen wir immer wieder begegnen.
Und alles schwindet wieder, die Jahreszeiten, die Jugend. Dem möchten sich die Gedichte entgegenstemmen indem sie schöne und nachdenkenswerte Momente wieder heraufbeschwören.
Die zweite Absicht ist jedoch der Genuss der Gedichte, die in einer nervösen Zeit wie der unseren zum Verweilen und Nachdenken anregen sollen. Es sind nicht nur die Themen, die zur Besinnung einladen, das Lesen selbst soll dazu anregen den üblichen hektischen Tagesablauf zu unterbrechen und auf andere Gedanken bringen, heraus aus der üblichen Routine und Oberflächlichkeit. Der Leser soll sich zurück ziehen mit dem Buch und ruhiger werden. Er folgt den Bildern der Landschaften und Jahreszeiten oder er vergleicht seine eigenen Lebenserfahrungen mit denen des Autors, der oft eine wehmütige Bilanz zieht und zugleich empfiehlt, sich mit dem Unwesentlichen nicht aufzuhalten.
Unser Leben ist Stückwerk, Unvollkommenes, wir können aber versuchen, der Vollkommenheit durch die Beschäftigung mit dem Wesentlichen nahe zu kommen. Und was wäre vollkommener als Gott? Deshalb wird immer wieder die Beschäftigung mit Gott als Mittel gegen die fliehende Zeit empfohlen und als Weg zu uns selbst, auch wenn die Unvollkommenheit unsere Bestimmung ist.
Die Gedichte sind durchwegs ungereimt und auf Aussagen konzentriert, es geht nicht um die Sprache selbst, sondern um die Botschaft, welche Absicht in den letzten Zeilen des Gedichtes „Zeit für ein Gedicht“ noch einmal ganz kurz zusammen gefasst wird: „Die Zeit für ein Gedicht/ benötigen wir für die/ Arbeit an der Vollendung/ unserer Seele./ Zeit für ein Gedicht:/ Zeit für Besinnung!/ Zeit für die Seelenarbeit!“
Zu erwähnen wäre noch das aussagekräftige Umschlagbild, eine Sonnenuhr mit den Worten „tempus fugit“, welches auf die Thematik der Gedichte bereits formschön hinweist.
Rezensent: Bernhard Heinrich