Rezension
Klaus Ebner
Podium Porträt 127 – Klaus Ebner
Mit einem Vorwort von Hannah Mühlparzer
Podium 2024, 64 Seiten
ISBN 978-3-902886-82-8
Wann immer einer der kleinen, handlichen Bände der Reihe Podium Porträt im Format 10,5 × 14,5 cm erscheint, die am Cover nur Namen und Signatur der Verfasserin oder des Verfassers tragen, doch keinen Titel, so weiß man, dass wieder eine Kollegin oder ein Kollege einen runden Geburtstag begeht. Nicht anders ist es im Falle von Klaus Ebner, der am 8. August 2024 seinen Sechziger feiert und auf eine weite literarische Wegstrecke zurückblicken kann. Die meisten Kilometer dieser Wegstrecke waren der Prosa gewidmet; als Prosaisten kennt man ihn in erster Linie, als Verfasser von Erzählungen und Essays, als Lyriker hingegen ist er hierzulande wenig bekannt. Ganz anders liegen die Dinge in Katalonien: Dort hat Klaus Ebner mit seinen zweisprachigen Lyrikveröffentlichungen „Vermells“ (2009) und „Blaus. Bläuen“ (2014) einiges Aufsehen erregt und sogar einen großen, katalanischen Lyrikpreis erhalten: den Premi de Poesia Parc Taulí.
Er ist gewiss nicht der einzige zweisprachige Lyriker hierzulande, doch der einzige, den ich kenne, dessen Zweisprachigkeit nicht familiär bedingt ist, sondern die Folge einer bewussten Entscheidung: Schon in seiner Kindheit und Jugend an fremden Sprachen interessiert, insbesondere an den romanischen, studierte er Romanistik, Germanistik und Translationswissenschaft und befasste sich früh mit Problemen des literarischen Übersetzens. In seiner Lyrik ist Klaus Ebner sein eigener Nachdichter, wobei der Prozess des Nachdichtens in seinem Fall keine Einbahnstraße ist, sondern in beide Richtungen geschieht. Indem er „in manchen seiner Lyrikbände die deutsche und katalanische Textfassung mehr oder weniger simultan anfertigt, stellt er herkömmliche Kriterien wie ‚Original‘ und ‚Übersetzung‘ infrage. (…) Der übersetzende Blick des Autors veranlasst ihn vereinzelt, Änderungen am vermeintlichen ‚Original‘ vorzunehmen: die Genesis eines Ebnerschen Gedichts schreibt sich rückwärts“, wie Hannah Mühlparzer in ihrem aufschlussreichen Vorwort bemerkt.
Das vorliegende Bändchen nun enthält Texte aus allen bisher veröffentlichten Lyriksammlungen Klaus Ebners, ergänzt um verstreute Gedichte aus über 40 Jahren. Da finden sich Dreizeiler, die in ihrer Konzentriertheit und Pointiertheit an Haiku gemahnen, wie das vom alten Spiegel, von dem es heißt: „alter Spiegel / ich beneide dich / um die Geschichten, die du sahst“; daneben stehen in breitem Rhythmus dahinfließende Verse, in denen Ebner sich überraschend als Romantiker entpuppt, wie etwa jenem von der alten Weide, deren Anblick Erinnerungen weckt an den Beginn einer Liebe, oder jenem vom Mond, von dem es heißt, „seine Haut ist so verletzlich / wie die meine“; dann wieder Gedichte, in denen ganz andere Töne angeschlagen und ganz andere Signale gesetzt werden, in denen von „Blackout“ und „Check“ die Rede ist, von „Modulen“ und „Korrekturen“ und in denen der IT-Fachmann, der Ebner im Brotberuf seit vielen Jahrzehnten ist, sich erahnen lässt.
Alle diese Spielarten und Facetten verbindet eines, nämlich Ebners geradezu körperliche Beziehung zu den Worten: „ich atme Worte / die schon vor der Sprache / der sie angehören / existierten / ich öffne meine Hände / um sie zärtlich zu berühren / es ist der Duft der verrinnenden Zeit / die ich dem Leben entlehne“. Das, was hier zum Ausdruck kommt, ist, so scheint mir, keine Pose und keine bloße Attitüde. Worte sind hier nicht nur etwas Zweidimensionales, eine Schrift an der Wand, Lettern auf dem Papier, ein Palimpsest, eine Abfolge von Lauten, Lautbildern und Silben, Vokalen und Konsonanten, sie sind Figuren im Raum, dreidimensional und von Gewicht, einem Gewicht freilich, das man nicht mit den üblichen Maßeinheiten beziffern kann. Für einen Dichter wie Klaus Ebner sind sie nie nur Nachklang der Ereignisse und Abbild einer Welt, vielmehr stiften sie Wirklichkeit: „mot a mot / produeixes històries“ heißt es in dem bisher nur auf Katalanisch veröffentlichten Gedichtzyklus „Vestigis“; zu Deutsch heißt das: „Wort für Wort / erzeugst du Geschichten“. Die Nuance ist hier entscheidend: Geschichten werden nicht erzählt, sondern erzeugt. Wie aus allen Texten Ebners, seinen Erzählungen, Essays und Reisenotizen, spricht auch aus seinen Gedichten, hier vielleicht in besonderer Eindringlichkeit, ein tieferes Wissen darum.
Christian Teissl (2024)