Rezension
Petra Sela
Podium Porträt 120 – Petra Sela
Podium 2022, 64 Seiten
ISBN 978-3-902886-70-5
Rund ums Haiku
Die Porträt-Reihe der Literaturvereinigung Podium hat sich als gediegene Lyrik-Sammlung etabliert. Die Besonderheit daran: Sie stellt das lyrische Schaffen von Autor*innen vor und gibt somit einen wunderbaren Einblick in deren Arbeit. Zudem ist jedes Podium-Porträt mit einer Einleitung verstehen, die von Kolleg*innen oder Literaturwissenschaftler*innen beigesteuert wird. Hier ist oft Persönliches zu erfahren, nebst wichtigen Einblicken in die schriftstellerische Arbeit.
Band 120 der Podium-Porträt-Reihe ist Petra Sela gewidmet. Sie wurde 1947 in Wien geboren, verbrachte dort ihre Kindheit und Jugend; die Ferienaufenthalte beim Großvater in Niederösterreich sieht sie als bedeutend für ihre Entwicklung an. Sie ging mehreren kaufmännischen Berufen nach, unter anderem als Sekretärin an der Universität Wien. Petra Sela ist Autorin und bildnerische Künstlerin. Bekannt wurde sie außerdem durch ihre verlegerische und kulturgesellschaftliche Arbeit. So gründete und führte sie 13 Jahre lang die Edition Doppelpunkt; 2010 rief sie die Österreichische Haiku-Gesellschaft ins Leben. Dementsprechend besteht ein großer Teil ihrer lyrischen Arbeiten aus Haiku und Senryu – zu sehen auch im vorliegenden Band. Sela wurde 1999 mit dem Theodor-Körner-Preis sowie 2003 mit dem österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst ausgezeichnet.
Petra Sela hat einerseits viele Reisen unternommen, die sich in ihren Gedichten widerspiegeln, andererseits setzt sie sich kritisch mit Umwelt und Gesellschaft auseinander. Sogar in kurzen Haiku, die geradezu idyllisch beginnen, erfolgt meist eine gesellschaftspolitische Wendung oder eine Beobachtung, die Leser*innen aus der vermeintlichen Idylle in die leider weniger erfreuliche Realität zurückwerfen:
nahe am wäldchen
hin zum strand – im sand eine
glasscherbe (S. 23)
Die Teilnahme an der Schule für Dichtung bei H.C. Artmann führte augenscheinlich dazu, dass ein guter Teil von Petra Selas Lyrik einer strikten Kleinschreibung folgt. Das betrifft insbesondere die älteren Gedichte, wie sich im Podium-Porträt gut zeigt, aber auch einen Großteil der Haiku und Senyru. Das Buch enthält zudem die folgende Hommage:
H. C. ARTMANN
erklärt er sei kein professor
bezaubert durch sein poetisches sein
der poet schlechthin hat etwas elegantes an sich
fast dandyhaftes
ich dagegen fast ein poet
muss noch lernen
atme seine worte
seinen geist (S. 11)
Petra Selas Podium-Porträt ist in mehrere Abschnitte unterteilt. Den Anfang stellen Gedichte dar, die in der Klasse Artmann entstanden sind. Danach stehen Werke aus ihren Büchern nebst bisher Unveröffentlichtem. Einen guten Teil nehmen Haiku und Senryu ein, und zum Abschluss treffen wir auf Auszüge aus einem Liederbuch sowie auf eine Auswahl von Dialektgedichten.
Auf den ersten Blick ist vieles dem Alltag und Urlaubsaufenthalten entnommen. Doch stets schwingt eine kritische Beobachtung oder Überlegung der Autorin mit. Diese semantische Technik zieht sich nicht nur durch die längeren Gedichte, sondern auch durch die Haikus, die ja bekanntermaßen nur etwa siebzehn Silben haben.
im urlaub das meer
genießen – nicht denken an
die armut im land (S. 22)
Bei der Lektüre des folgenden Textes kam mir flugs der Gedanke, nun müsse ich sogar beim Naschen von Pralinen ein schlechtes Gewissen haben; aber natürlich spielt hier auch ein gewisser Schalk mit:
genussvoll isst sie
die pralinen
wer denkt da an palmöl? (S. 34)
Von den Liedern hat mich besonders Der stürmische Morgen berührt, wo auf noch weniger Silben und Worte als bei der Haiku-Form reduziert wurde:
flammender
morgen
mein herz (S. 46)
Die derzeit von Erika Kronabitter herausgegebenen Podium-Porträts sind auf der Webseite der Literaturvereinigung Podium erhältlich. Jeder Band enthält ein Autorenfoto sowie eine ausführliche Biobibliografie. Der Einband von Petra Selas Porträt ist in Dunkelgrau gehalten. Traude Veran verfasste die Einleitung, aus der Interessantes aus der literarischen Anfangszeit beider Autorinnen zu erfahren ist.
Klaus Ebner (2025)