Rezension
Doris Kloimstein
Podium Porträt 129 – Doris Kloimstein
Podium 2024, 64 Seiten
ISBN 978-3-902886-84-2
Bunter Reigen
Seit vielen Jahren bringt die Literaturvereinigung Podium eine Lyrik-Reihe heraus, die sogenannten Podium Porträts. Das sind Büchlein im Umfang von exakt 64 Seiten; sie enthalten veröffentlichte und unveröffentlichte Gedichte der Autor*innen, denen der Band jeweils zugedacht ist, und sind versehen mit einer Einleitung durch Kolleg*innen oder Literaturwissenschaftler*innen.
Band 129 ist Doris Kloimstein gewidmet. Sie wurde 1959 in Linz geboren und wuchs dort auf, studierte Theaterwissenschaften und Kunstgeschichte in Wien. Sie ist seit ihrer Schulzeit literarisch tätig und spielt Violine. Bis 2019 war sie in ihrem Brotberuf Pädagogische Mitarbeiterin in der Diözese St. Pölten, davor hat sie ein Theaterprojekt geleitet. Die Autorin lebt heute in Innsbruck und St. Pölten, wo sie auch engen Kontakt zur dort ansässigen Literarischen Gesellschaft hat und deren Literaturzeitschrift Etcetera mitbegründete. Sie ist Mitglied im Österreichischen Schriftsteller/innenverband sowie im PEN Österreich.
Alle Podium-Bände enthalten jeweils ein Porträtbild. Jenes von Doris Kloimstein ist eine Strichzeichnung, ein Selbstporträt mit karikaturhaften Zügen. Ein Hinweis auf den Humor, der vielen Arbeiten der Autorin innewohnt. Zudem bezeichnet sie sich in einem ihrer Gedichte als heute eher zurückgezogen lebend –wohl daher lieber die Zeichnung als ein Foto. Eingebettet in die nachfolgenden Lyrikseiten finden sich noch weitere Zeichnungen.
Eindrücke von Aufenthalten in der Natur prägen viele von Kloimsteins Texten. Sie wirken sehr stimmungsvoll und warten oft mit ungewöhnlichen Analogien auf. So etwa das folgende Gedicht, das entweder als Naturgedicht oder tatsächlich als Beschreibung eines Bildes gelesen werden kann:
Suchbild
Meer
drei Segelschiffe
zwei Fischerboote
blaugrau mit weißen Tupfen
zwei Möwen am Himmel
noch mal
wo ist die Sonne (S. 23)
Diese Zeilen enthalten gewissermaßen eine Überleitung zu einem Ort, der Doris Kloimstein ans Herz gewachsen ist und an dem sie sich oft aufhält: Saint-Denis-d’Oléron an der französischen Atlantikküste. In der Einleitung zu ihrem Porträt erfahren wir, dass die Autorin Gedichte, die sie von französischen Freund*innen erhält, für sich übersetzt und daraus Anregungen für eigene Texte holt. Schreiben und das Lernen der französischen Sprache – beides Angelpunkte ihrer Aufenthalte am atlantischen Rückzugsort.
habe ein Wort
geschenkt bekommen:
la cagouille – die Schnecke
l’escargot – lernt man im Sprachkurs
ist maskulin
la cagouille ist umgangssprachlich
und feminin
Marie-José Aubière
la poétesse
elle me l’a donnée
und wieder ein Wort
für meinen Sprachschatz
c’est un plaisir
und sonst gar nichts (S. 20)
Das Vorwort zum Porträt-Band wurde von Barbara Neuwirth verfasst. Es enthält zahlreiche Informationen und Details aus der Familiengeschichte der Autorin. Wir lesen über die Eltern ebenso wie über Kloimsteins Werdegang. Darunter auch ein zweijähriger Aufenthalt in der brasilianischen Colônia Tirol de Santa Leopoldina, wo sie ein Schulprojekt geleitet und Kinder, aber auch analphabetische Erwachsene unterrichtet hat, die alle mit großer Freude zu »Dona Doris« zum Lernen gingen.
Doris Kloimstein arbeitet mit freien Rhythmen und setzt auf den Inhalt. Dieser ist betrachtend, nachdenklich oder melancholisch. Ein Teil der Gedichte verwendet Großschreibung gemäß den gültigen Rechtschreibregeln, andere haben eine durchgehende Kleinschreibung. Satzzeichen werden meist ausgespart, wobei Gedankenstriche eine häufige Ausnahme darstellen. Inhaltlich präsentiert der Podium-Band, der ja einen Einblick in das lyrische Schaffen der Autorin geben möchte, einen bunten Reigen an philosophischen, empfindsamen, humoristischen und manchmal auch gesellschaftskritischen Gedichten.
Die Autorin publizierte auch eine Reihe von Kurzgeschichten und Erzählungen sowie Essays, doch stellt die Lyrik einen zentralen Bestandteil ihres literarischen Schaffens dar. Laut Barbara Neuwirth empfindet Kloimstein ihre Lyrik als »Momente (…), wo die Liebe durchscheint«; das ist auch in vielen der im Podium-Porträt enthaltenen Gedichte deutlich zu spüren. Darüber hinaus schreibt sie dramatische Texte und ist in diversen Theaterprojekten tätig; zu Lebzeiten von Rolf Schwendter etwa in dessen Lesetheater.
Manche Gedichte (ich vermute, es sind spätere Werke) klingen eher philosophisch-spirituell. Es sind sehr kurze Gedichte, für die Leser*innen sich Zeit nehmen sollten, weil sie nämlich tiefer gehen und zum Nachdenken anregen. So etwa dieses:
der mensch
war
wollte wissen
und fiel
im erkennen
schmerzlich
vergeblich
nichts weiter (S. 48)
Sehr empfindsam und persönlich klingen für mich die folgenden Zeilen, die sich mit dem Lebensende auseinandersetzen:
eines tages
ob nah
ob fern
am ende
des weges
möcht ich
einen ton
noch pfeifen
und dann
will ich
es gut sein
lassen (S. 51)
In eine ganz andere Richtung weisen jene Gedichte, die mit ihrem Inhalt und den Formulierungen ein Auflachen bewirken; hier arbeitet Kloimstein durchaus auch mit Reimen. Es sind humorvolle Texte, manche davon werden als »Nonsensgedichte« bezeichnet. Aufgrund ihres heiteren Charakters eigenen sie sich hervorragend für öffentliche Lesungen, was die Autorin weiß und auch nutzt. Doris Kloimstein hat sogar eine Clown-Ausbildung absolviert – diese spielt wohl ebenfalls eine Rolle bei ihren humoristischen Gedichten und Theaterdialogen. Einen Eindruck dieser speziellen Sorte von Lyrik gibt etwa das »Nonsensendreimgedicht im Frühling Nummer eins«, in dem gleichzeitig Kloimsteins Liebe zu Pferden durchscheint:
Ein Krokus! Schau! Sag ich zum Pferd,
das sich um meine Freude gar nicht schert.
Es muss mal äpfeln, jetzt sofort,
an diesem schönen Krokusort.
Das Resultat der Äpfelei:
Es stinkt zum Himmel … einerlei … (S. 60)
Im Rahmen des Vereins »Kunst-Projekte« legt sie auf der Webseite Miss Maggie Lucifer ihrer Stute »Miss Maggie Lucifer« diverse Gedichte und Prosatexte in den Mund (eigentlich: ins Maul). Dazu gibt es ein paar Fotos und Zeichnungen. Diese Texte sind so schräg und lustig, dass ich aus dem Durchklicken und Lesen gar nicht mehr herauskam. Sie zeigen einmal mehr die Vielseitigkeit von Doris Kloimstein.
Alle Podium-Porträts haben einen einheitlichen Preis von 6 EUR und sind über die Literaturvereinigung Podium erhältlich, unter https://www.podiumliteratur.at.
Klaus Ebner (2025)