Rezension
Franz Forster
Saga der Unbekannten
Königshausen & Neumann 2022, 365 Seiten
ISBN 978-3-8260-7491-2
Es ist immer ein Wagnis die eigene Familiengeschichte aufzuschreiben, in Romanform zu gießen, wenn man weder adeliger noch berühmter Abstammung ist. Franz Forster hat es gewagt, das Leben seiner Vorfahren und ein Stück weit sein eigenes detailreich niedergeschrieben und sein sozusagen Romandebüt mit achtzig treffend Saga der Unbekannten genannt. Die vielen Unbekannten sind bekanntlich die, auf deren Rücken die große Geschichte geschrieben wird. Und nimmt sich einer Zeit, die Lebenswege und Schicksale seiner eigenen Leute akribisch zu recherchieren, dann bekommen diese plötzlich mehr Bedeutung, als man ihnen jemals zugemessen hätte, dann entfaltet sich vor dem geistigen Augen der Leserin, des Lesers ein Historienpanorama unerwarteten Ausmaßes.
365 Seiten in relativ kleiner Schrift, die verlangen von der Leserschaft auch Geduld und Lesezeit – schnell mal quer durch ist unmöglich. Es gibt da nicht nur einen Faden zu verlieren, sondern viele Fäden sorgsam im Auge zu behalten, um nicht im Detailreichtum jeglichen Überblick abhandenkommen zu lassen. Es ist empfehlenswert, sich für die Lektüre einen festen Zeitrahmen zu geben, denn ergibt sich eine Lesepause, muss man, so man mit einem durchschnittlichen Gedächtnis ausgestattet ist, wieder von vorne beginnen. Die vielen Onkel, Tanten, Cousinen, Cousins, primär und angeheiratet, die Geschwister, die Nachbarn, die Namen … man sollte sich eine Pinwand und Post-its zulegen, eine Wanderkarte des Yspertales, einen Wienplan und eine Burgenlandkarte, so man das Geschehen geografisch einsortieren möchte. Feriendomizil oder Kurhotel wären die idealen Leseorte. Von all den Personen sei Stefan Duić genannt, der aus dem Unbekannten und den Unbekannten herausapert, der so etwas wie historische Relevanz bekommt.
Der Autor, der viele Jahre als Germanist in Norwegen verbracht hat, weiß mit Sprache und Sprachvarianten, mit dem Dialekt umzugehen, hat für die Leserschaft am Ende des Buches ein Wortverzeichnis von Dialektwörtern und nicht mehr gebräuchlichen Wörtern angefügt. Dem Lesevergnügen steht also nichts im Wege.
So sei noch vom Buchrücken zitiert: „Beginnend mit dem alten Österreich, auch aus einer längst versunkenen Dorfwelt, in einem Wien früherer Jahrzehnte, durch die Wechselfälle und Entwicklungen des vorigen Jahrhunderts bis in die Ungewissheit der Zukunft […] Eine Fülle markanter Charaktere, familiärer Konstellationen, überraschender Begebenheiten, tragischer Schicksale, fortgesetzter Hoffnungen machen dieses Buch zu einem faszinierenden Leseerlebnis.“
In Romanform verschriftlicht, werden aus Unbekannten Zeitzeugen und der Leserschaft Vertraute.
Doris Kloimstein (2024)