Rezension
Johannes Diethart
Sprach-Rosinen
Österreichisches Literaturforum, Weißenkirchen/Wachau 2022
ISBN 978-3-902760-20-3
Mit dem vorliegenden Band bedient Johannes Diethart eine hellhörige sprachkritische Leserschaft auf unterhaltende und gewinnbringende Weise. Pickt doch der Autor aus den Hekatomben möglicher Wortschöpfungen solche heraus, die sich als soziologisch oder kulturhistorisch fruchtbar erweisen, die eine hohe Alltagstauglichkeit zeigen und zugleich eine Menge über jene (und ihre Zeit) verraten, die diese „Rosinen-Wörter“ prägten oder sie im Umlauf hielten. Wie im Vorwort von Hannes Outis (Santiago de Chile) trefflich festgehalten, sind solche sprachverliebten und zugleich sprachkritischen Exkurse u.a. ein stärkendes Elixier, nicht zuletzt für jene, die von ihrer Muttersprache abgenabelt und weitverstreut in der weiten Welt siedeln. Worte und Wortprägungen werden in den Texten vorgeführt, welche die launische Dame Zufall dem Autor zuführte – aber diese oft bekrittelte Primadonna hat Diethart zu einer prächtige Auswahl verholfen, und mit Akribie und kulturhistorischer Spürnase ist es dem Autor gelungen, jedem dargelegten Begriff pralles Leben einzuhauchen. Die Leserinnen und Leser werden aus den nachstehenden illustrierenden Wortbeispielen ersehen, wieviel an Formulierungsdichte, historischen Hintergründen und feinnerviger Formulierungskunst sich in der nachstehenden „Rosinenparade“ verbirgt. Ein Hinweis, dass die Quellen akribisch dokumentiert sind, ist bei einem hochkarätigen Wissenschaftler wie Johannes Diethart eigentlich überflüssig. ‒ Na endlich, hat der Rezensent ausgelabbert!, brummeln die beispielhaften ausgewählten – und wie man sieht eitlen ‒ Rosinen-Wörter und drängeln auch schon herbei:
Anserpanier: Wenn einer fesch daherkommen will, wirft er sich ins schönste Gewand (Einserpanier) das er im Kasten hängen hat. Bundespräsidentenstichwahlwiederholungsverschiebung: Na klar, zum Wort des Jahre 2016 gewählt! Deppenapostrophitis: Der im Text zitierte Telemax führt dafür etwa Erika’s Blumenladen an. Kernd(Körndl-)hacken steht in der Gaunersprache für Juwelendiebstahl. Kurvenwusler: eine liebenswürdige Bezeichnung für das Automobil; sich von wuseln ableitend, das für unruhig hin und her bewegen steht. Verdeixung, die, von Manfred Deix’ Grafiken und Plastiken ausgehend, in Österreich auch mentale Spuren hinterlassen hat. Noch ein kraftvolles letztes Bespiel: Strebergaleere: Der Begriff bezeichnet ein an der Neuen Donau verankertes Schulschiff, welches als Gebäude des Realgymanasiums 21, Bertha von Suttner dient.
Viele schöne Beispiele wären noch vor den Vorhang zu bitten, aber sie bleiben gut geborgen unterm obigen ISBN-Code, den aber jeder Buchhändler oder der Verlag zu öffnen vermag.
Gottfried Pixner