Rezension
Anton Mantler
Versuchte Nähe
Lyrische Miniaturen und Notate.
Edition Klopfzeichen 2023, 150 Seiten
ISBN 978-3-903584-05-1
Bereits im Titel wird die Absicht des Lyrikbands formuliert: Versuchte Nähe.
Die Nähe ist noch nicht gelungen, wird aber angestrebt. Der Versuch des Autors bezieht sich darauf, dem Leser näher zu kommen und sein Verständnis zu finden. Es ist aber auch der Versuch, der Welt näher zu kommen mit all ihren verschiedenen Phänomenen. Dies geschieht mit kurzen und pointierten Gedichten, die sich mit vielen Themen auseinandersetzen.
Versuchte Nähe betrifft auch die zwischenmenschlichen Beziehungen, denen großer Raum gewidmet ist, Liebesgedichte, in denen über geglückte, problematische und gescheiterte Beziehungen berichtet wird.
Ein großes Thema des Bandes ist auch die Religion, der der Autor einerseits verbunden ist, die er aber andererseits mit ironischem und kritischem Blick betrachtet. Religion spielt auch in seiner Biographie eine große Rolle; einige dieser persönlichen Erfahrungen sind in den Gedichten formuliert. Hier wird der Versuch unternommen, seiner eigenen Vergangenheit nahe zu kommen und sie aufzuarbeiten.
Nahe kommt Anton Mantler auch anderen Autoren, indem er sie zitiert: Stifter, Hofmannsthal, Simmel, Singer, Gütersloh, France und andere mehr werden zitiert und paraphrasiert.
Und nahe gehen ihm das Leid der Welt und die Opfer des Krieges, wie die durch den Atombombenabwurf über Hiroshima erkrankte Sadako oder das Mädchen aus Theresienstadt im gleichnamigen Gedicht.
Trotz allem kommt auch der Humor nicht zu kurz, meist in kritisch-satirischer Form. Auch der Sprache selbst wird in wortmalerischen Gedichten und Sequenzen nahe zu kommen versucht.
Der Bogen reicht von Hofmannsthals Sprachkritik im Lord-Chandos-Brief bis zur eigenen Erkenntnis:
Schreiben ist immer
von
weitem
sich heran tasten
schreiben ist auch
neue sprachen
blindschriften
lernen
eine andere wirklichkeit
erfahren
Das kann auch als Motto für das ganze Buch gelten: Durch Worte die Nähe zu allem zu versuchen, was letzten Endes auch die Intention jeder Schriftstellerei ist.
Bernhard Heinrich (2024)