Rezension
Eva Riebler
Weltblick
Texte und Grafiken
Verlagshaus Hernals, Wien 2022, 120 Seiten
ISBN 978-3-903442-31-3
Eva Riebler, aus Niederösterreich und vor allem St. Pölten nicht wegzudenkende quirlige Autorin, Malerin und Grafikerin sowie Literaturvermittlerin – Herausgeberin, Organisatorin von Veranstaltungen, Jugendliteratur-Wettbewerben, Schreibwerkstätten – legt nach zwei Publikationen in den späten 1990ern mit „Weltblick. Texte und Grafiken“ nun ihr drittes Buch vor, in mehr als ansprechender Ausstattung (und Ausführung!) vom Verlagshaus Hernals ediert und mit Nachworten von Carl Aigner (zu den Bildern) und Elfriede Bruckmeier (zu den Gedichten) abgerundet.
Bei Eva Riebler steht nicht über jedem Text „Achtung! Hier kommt ein Gedicht …“, denn sie kommen, Seite für Seite, selbstverständlich und ganz und gar ungekünstelt. Eine Auswahl an Titeln ihrer Gedichte beschreibt, worum es geht: Um die „Weltsuppe“, in der sich so manches Haar finden lässt – „Frage“, „Überlegung“, „Einsicht“, „Illusion“, „Not“, „Fäuste und Feuer“, „ABC-Waffen“, „Die Welt sieht zu“ etwa drehen sich um den Überfall von Putin-Russland auf die Ukraine, Krieg allgemein, um Pandemie und „Lockdown“, um Klimakatastrophe und „Nachhaltigkeit“, kurz um die Reflexion diverser, gegenwärtig verharmlosend so genannter Krisen. Den inneren Widersprüchen folgend – „Ich suche nach dem Gleichgewicht / liebe jedoch das Ungleichgewicht“ – arbeitet sie auch bei den Texten durch Analysieren und Hinterfragen („Alles sorgfältig betrachten / umdrehen in Gedanken“) das Gegensätzliche heraus – „Die Pflicht aus der Lehre / Schlüsse zu ziehen / erledigt sich nicht mit / Augen zu und durch“ – und gelangt zum hilfreichen Schluss: „Die Liebe … / Sie sollte Gesetz sein / Wer das Gesetz befolgt / hat alles verstanden“.
Auch die Natur hat viel Trostreiches zu bieten, nicht nur im Rückgriff auf die Kindheit („hohes Gras wird zu Erinnerung“), und bildet eine zweite Textgruppe – „Die Natur führt“, „Gleichgültige Natur“ etcetera … „Mostbirnbaum“ ist für mich eines ihrer schönsten Gedichte in diesem – so und so! – an Bildern reichen Band.
„Alle Farben“! Natürlich, hier kommt – in einer dritten, kleineren Textgruppe – die bildende Künstlerin zu Wort, entsprechend einer Selbstauskunft unter dem Titel „Ich sammle Farben“ wieder geleitet von Selbstverständlichkeit und Frohsinn. Das macht glücklich … Folgen Sie der Künstlerin in diese geglückte Text-Bild-Ausstellung zwischen zwei Buchdeckeln!
Hannes Vyoral
Eva Riebler ist eine Künstlerin, die sowohl bildnerisch als auch schriftstellerisch unterwegs ist. Normalerweise bleiben die beiden Sparten voneinander getrennt, doch nicht in diesem Buch: Weltblick vereint lyrische Texte und Grafiken, wobei fast jede Doppelseite links ein Gedicht und rechts die Reproduktion einer grafischen Arbeit enthält. „Ich bin einem Haar / in der Suppe auf der Spur“ (S. 5) schreibt die Autorin im Gedicht Weltsuppe, und ich könnte viele Minuten verweilen, um über die Vielschichtigkeit und die zahlreichen Bedeutungsanstöße dieses Satzes zu sinnieren, zumal es nach einem „Oder“ mit kaum verbrämter Ironie weitergeht: „Nichts sehen/ nichts spüren und / gut schmecken lassen“.
Bekannt ist die 1952 in Steyr geborene Künstlerin auch durch ihre kulturvermittlerische Tätigkeit als Herausgeberin der St. Pöltener Literaturzeitschrift „Etcetera“ und Organisatorin von Lesungen und Ausstellungen. Die Verbindung von Literatur und Malerei, aber auch mit der Musik ist ihr ein Anliegen, das sich vielfach an Publikationen und Veranstaltungen festmachen lässt. Als bildende Künstlerin hat sie eine Vorliebe für Figuren und Akte, wie dieses Buch wunderbar illustriert. Die enthaltenen Grafiken sind Kaltnadel- und Eisenradierungen, Monoprints und Collagen. Manchmal werden die gleichen Motive wiederholt, aber unterschiedlich ausgearbeitet. Mich beeindruckten besonders jene Radierungen, in denen die Figuren wie Tuschezeichnungen wirken und sehr klar aus dem Hintergrund herausstechen.
Die Motive der grafischen Arbeiten haben in der Regel mit dem gegenüberliegenden Gedicht zu tun. Etwa die Kaltnadelradierung auf Eisen aus der Serie „Familie“ (S. 49), die dem Text Wegweiser gegenübersteht. Und dieser beginnt mit den Versen: „Die Liebe / schützt das Leben / gegen Neid, Wut / Leid und Angst // (…)“. (S. 48)
Mit Satzzeichen geht die Autorin sehr sparsam um. Das heißt, dass kaum welche gesetzt werden; Satzanfänge sind leicht am großen Anfangsbuchstaben zu erkennen, insbesondere wenn das Wort eine Konjunktion, ein Verb, eine Präposition oder ein Adjektiv ist. Ab und an beginnt jede Verszeile eines Textes mit einem Großbuchstaben. Beistriche setzt Riebler vereinzelt im Innern einer Zeile, etwa wenn es darum geht, die Lesbarkeit zu erhöhen.
Manche Gedichte reflektieren über den Alltag, haben auf den ersten Blick etwas Allgemeines an sich, vermitteln gewissermaßen kaschiert Erinnerungen, und ein paar Texte haben einen Bezug zu Putins verbrecherischem Krieg in der Ukraine. Neben dem starken Eindruck, dem kaum jemand entkommen kann, enthalten diese Zeilen auch einen Hinweis darauf, dass zumindest ein Teil der Gedichte in diesem Jahr 2022 geschrieben wurde. Und dann finden sich Texte, die ich als Stimmungsgedichte zum Nachdenken empfinde:
DER BAUM
Der Baum der Mitte steht
Als Zentrum der Gedanken
Das Laub entfällt den Fragen
Keine Antwort im Verfärben
Vergebens in Blutrot getaucht (S. 78)
Dem gegenüber steht ein farbiger Monoprint aus der Serie „Lonely Man“, in dessen Mitte die Silhouette eines, wie der Serienname andeutet, Mannes steht. Dass die Figuren und Akte in den grafischen Arbeiten als leere oder dunkle Umrisse oder auch als Strichzeichnungen ausgeführt sind, zieht sich durch das ganze Buch. Eine solche Ausführung lässt vieles offen, gibt Betrachter*innen lediglich Hinweise, aber oktroyiert niemals eine fertige Interpretation.
Auch für die Gedichte mag dies gelten, obwohl mir die Texte generell konkreter scheinen, zumal sie bisweilen an gut Bekanntes anknüpfen. Etwa in Der kleine Prinz, wo es heißt: „Du willst niemanden brauchen / an niemanden dich gewöhnen // Zu sehr hat der kleine Prinz sich / den Fuchs vertraut gemacht“. (S. 64)
Das fest gebundene Buch erschien im Wiener Verlagshaus Hernals. Die Grafiken auf Titel- und Rückseite stammen selbstverständlich ebenfalls von Eva Riebler; es sind unterschiedlich ausgeführte Collagen mit gemeinsamen Elementen. Abgerundet wird die Publikation mit einem Nachwort von Carl Aigner zum bildnerischen Schaffen und einem weiteren von Elfriede Bruckmeier zum schriftstellerischen.
Klaus Ebner