Rezension
Ingrid Kloser
Aus Stille geformt
Piper 2025, 224 Seiten
ISBN 978-3-492-07263-2
In der beschaulichen Idylle des Bregenzerwaldes lässt Kloser zwei Eigenbrötler aufeinandertreffen, die auf den ersten Blick scheinbar nur die gemeinsame Leidenschaft für ein traditionelles Handwerk verbindet: die junge Japanerin Akiko, die nach Österreich gereist ist, um hier ihre Fertigkeiten im Töpfern zu perfektionieren, und der deutlich ältere, zurückgezogen lebende Töpfermeister Friedrich, der seine Keramik nach einer fast vergessenen und aufwändigen Methode, nämlich im Holzbrandofen, herstellt. Als Akiko ihr Praktikum auf Friedrichs entlegenem Hof antritt, ahnt sie noch nicht, dass sie nach und nach einem Geheimnis ihrer eigenen Familiengeschichte auf die Spur kommen wird.
Erhellend und berührend sind jene Passagen, die sich mit dem Vorgang des Töpferns befassen. Hier trifft die Autorin immer wieder Aussagen, die für den künstlerischen Schaffensprozess generell stehen können, sich ebenso auf Literatur, Musik oder andere Kunstformen übertragen ließen. So erinnert sich etwa Akiko an die erste Schale, die sie zu Beginn ihrer Ausbildung fertiggestellt hat: „Die Schale stand unter den Werkstücken der anderen, und da war es gewesen, als wäre sie selbst es, als stünde Akiko vor Akiko. Eine nicht gekannte Freude ergriff sie, und Tränen waren so nahe gewesen wie lautes Lachen.“ (S. 97)
Auch in der Schilderung von nächtelangen, „rauschhaften“ Schaffensphasen an der Töpferscheibe werden viele kreativ tätige Menschen sich selbst wiedererkennen. Wenn Friedrich darüber reflektiert, wie herausfordernd es sei, gute, hochwertige Gebrauchsgegenstände herzustellen, so weisen seine Überlegungen durchaus eine poetologische Dimension auf: „Was nützt es, eine schöne Teekanne in der Hand zu halten, die beim Ausgießen ihren Deckel verliert? Die Schönheit eines Gegenstandes zeigt sich in der Betrachtung und wächst aus der Funktionalität.“ (S. 88) Ganz im Sinne des Töpfermeisters dürfte es sein, dass Kloser mit „Aus Stille geformt“ einen leicht zugänglichen Roman in schnörkelloser Sprache und ohne Brüche vorgelegt hat.
Zum Genuss wird die Lektüre darüber hinaus durch die sinnlichen Beschreibungen des Lebens inmitten der Natur abseits der zivilisatorischen Hektik. Gekonnt lässt Kloser ihre Leserschaft an den Eindrücken und Empfindungen teilhaben, die den Alltag in der ländlichen Abgeschiedenheit prägen: der wechselnde Duft der Pflanzen im Lauf der Jahreszeiten, das Wetter, die einfachen, aber nahrhaften Speisen (von denen wir manchmal auch die regionalen Bezeichnungen erfahren, wie etwa „Grumpora mit Käs“, also Erdäpfel mit Käse), und vor allem die Arbeit des Töpferns. In Entsprechung zu Friedrichs naturverbundenem Leben ist auch der Roman formal nach dem Rhythmus der Jahreszeiten in vier Teile gegliedert.
Im Zusammenhang mit der Suche nach innerer Ruhe webt Kloser überzeugend den Bezug zu Japan ein, etwa zur Zen-Meditation und zur Teekultur. Während an einigen Stellen anekdotisch über kulturelle Unterschiede zwischen Österreich und Japan geschmunzelt werden darf – etwa angesichts des übermäßig förmlichen Umgangs, den Akiko anfangs ihrem Lehrer entgegenbringt, während dieser sie in seiner rauen Art sofort duzt und auf höfliche Floskeln nicht viel Wert legt –, wird doch vor allem das Verbindende zwischen beiden Ländern betont. So wird gut nachvollziehbar, dass Friedrich und Akiko im Leben nach sehr ähnlichen Dingen streben: nach Stille, Naturverbundenheit, Individualität und kreativer Arbeit mit den Händen.
Die einzige Schwäche des Romans sehe ich im Spannungsaufbau. Die Autorin streut von Anfang an so viele Hinweise, dass bereits nach wenigen Seiten vorhersehbar ist, auf welche „Auflösung“ sich der Plot zubewegt. Mag sein, dass das Erzeugen einer solchen „Spannung“ ohnehin nie beabsichtigt war; in diesem Fall jedoch hätte auch von Anfang an klar ausgesprochen werden können, was Akiko im Laufe des Romans entdeckt.
Dennoch: Mit ihrem ersten Roman „Aus Stille geformt“ ist der Vorarlberger Autorin Ingrid Kloser eine atmosphärische Lektüre gelungen, die den künstlerischen Schaffensprozess auf sinnliche Weise beleuchtet.
Daniela Chana (2025)