Rezension
Maria Gornikiewicz
Valerie und die Demenz
Verlag Bibliothek der Provinz, 125 Seiten
ISBN 978-3-99028-683-8
Maria Gornikiewicz ist es gelungen, mit ihrer Valerie Kirchheiser den Prototyp einer nicht mehr jungen, resoluten Favoritnerin zu kreieren, die nun bereits im vierten Buch räsonierend und philosophierend durchs Leben geht. Tapfer pflegt sie ihre diversen Leiden, aber auch genüsslich ihre Freundschaften. Waren es im ersten Band noch Mordgedanken, gespeist von Höllenlärm erzeugenden Halbstarken (Mordet Valerie?), so wurde Valerie später ruhiger und versöhnlicher, vielleicht auch mit Hilfe des roten Heilands auf dem Kreuz, den sie oft besuchte (Valerie wird fromm).
Im aktuellen Band brütet sie sorgenvoll über der Demenz. Jeder ältere Mensch hat wohl schon daran gedacht, wenn sich ein Gegenstand, ein Name, eine Erinnerung partout nicht einstellen will. Traum und Wirklichkeit auseinanderzuhalten gelingt schon Kleinkindern schlecht, und dort bewegt sich Valerie anscheinend jetzt hin. Aber dement, NEIN, dement ist sie noch lange nicht. Sie hat auch kein Alkoholproblem, sie trinkt nur für ihr Leben gern ein Gläschen Rotwein, oder zwei, oder drei…und nach dem Genuss ihres Lieblingsweines hat sie dann Probleme, das Gleichgewicht zu halten und mit der Koordination ihrer Körperfunktionen zu Rande zu kommen. Jede Krankheit, von der sie hört, bezieht sie auf sich und verbringt daher viel Zeit in den Wartezimmern von Ärzten – der erwünschte Nebeneffekt sind nette neue Bekanntschaften.
Bei ihren Zusammenkünften mit Freundinnen wird auch darüber gesprochen, dass man in Favoriten, dem klassischen Arbeiter- und Einwanderer-Bezirk, kaum noch ein deutsches Wort hört. Das finden alle Damen traurig. Auch über Männer wird geredet, die in dieser Runde kaum leiblich anwesend sind. Allein leben ist nicht nur angenehm, manche sehnen sich nach einem Gefährten. Eine der Damen versucht es mit einem Hund, das bringt Haare, Schmutz und Unruhe in die Gemeinschaft. Ein Mann belebt jedoch schließlich den Damenzirkel, eine Friedhofsbekanntschaft, der Herr mit dem „Kulturrevier".
Fühlt Valerie sich wohl, dann setzt sie sich an den Schreibtisch. Ihre Texte, alte und neue, legt sie dann überall in der Wohnung auf. Sie ist mit sich und so mancher Geschichte zufrieden. Doch dann verwirren sich die Blätter, sie findet den roten Faden nicht mehr. Da ist es vielleicht gescheiter, ein Bad zu nehmen…
Ein Besuch des Familiengrabes am Zentralfriedhof fördert Interessantes eines Favoritner Frauenlebens zutage, wobei sich Valerie auch mit ihrer toten Mutter versöhnt.
Dieses Buch ist eine Satire mit Herz, Humor und Selbstironie, die man wärmstens empfehlen möchte, vor allem den Leserinnen, denn – wie mir ein Buchhändler versicherte – Lesen ist weiblich!
Elfriede Bruckmeier
P.S. Liebe Valerie: „Glücklich ist, wer vergisst…" ist aus der Fledermaus!
Rezensentin: Elfriede Bruckmeier