Rezension
Helmuth A. Niederle
Was nun? Liber Turpis. Über Götter, Menschen und Mischwesen
Korrektur Verlag 2023, 192 Seiten
ISBN 978-3-9505341-8-4
Mythologie reloaded
Texte, in denen man als Leser*in immer wieder auf bereits bekannte Figuren und Motive aus Märchen und der Mythologie trifft, zeichnen Helmuth A. Niederles Werke aus. So ist es nicht überraschend, dass der Autor sich auch in seinem 2023 im Korrektur Verlag erschienen Band »Was nun? Liber Turpis. Über Götter, Menschen und Mischwesen« dieser Thematik widmet.
In 55 kurzen Texten schreibt er Geschichten zahlreicher mythologischer Figuren um bzw. weiter, erzählt von der Entstehung bekannter Phänomene und kombiniert diese Stoffe mit der Gegenwart.
Mit kurzen Zitaten jüdischer Gelehrter, die den einzelnen Texten stets vorangestellt sind, verbindet Helmuth A. Niederle die antike Mythologie mit dem Talmud, einem der bedeutendsten Schriftwerke des Judentums. Ebenso veranschaulichen Illustrationen von Peter Baldinger die Beiträge, ergänzt durch ein Nachwort von Reinhart Hosch.
Während ein Großteil der Figuren der griechischen Mythologie entnommen ist (so trifft man etwa auf Prometheus, Hades oder auch Antigone), beschreibt der Autor jedoch auch Erlebnisse römischer Gottheiten, wie beispielsweise Aurora, die Göttin der Morgenröte, oder die hinduistische Gottheit Ganesha. Spielerisch werden altbekannte mit neu kreierten Wesen verknüpft. Wer kennt etwa die Göttin Asthma oder den nachdenklichen Zeusolus, den »Gott des Unfertigen […] Des achtlos Weggelegten« (S. 168)? Der*die Leser*in muss sich auf eine Art Spurensuche begeben, denn jegliche Hinweise, welche Figuren rein der Idee des Autors entstammen, bleiben aus. Diese Suche wird auch in den Texten selbst gespiegelt. Nicht nur einmal werden Situationen in Frage gestellt, unterschiedliche Versionen aufgezeichnet und der Konjunktiv als sprachliches Mittel verwendet.
Schlussendlich ist der fragliche Ursprung mancher Figuren jedoch kein Hindernis, sondern bildet eine zweite Ebene für die Lektüre. Denn wie auch der Autor in seinem Buch bemerkt, »vielleicht war es auch alles ganz anders« (S. 41).
Ines Scholz (2025)